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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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offiziellen Schlafgemach des Grafen kamen, desto mehr stieg Gorans Anspannung. Gelang es ihm, dies vor dem Kommissär zu verbergen? Er durfte nicht zu dem Spiegel hinübersehen, dessen Rahmen den schmalen Spalt verschleierte, der die Existenz der verborgenen Tapetentür hätte enthüllen können. Ansonsten fügte sie sich unsichtbar zwischen den Stuckelementen und den von einer Seidentapete gefüllten Feldern ein.
    Der Kommissär trat in die Mitte des Raumes und ließ den Blick langsam wandern. Noch sorgsamer als in den anderen Räumen nahm er jedes Detail in sich auf, so als ahnte er, dass hier der Schlüssel zu Graf Báthorys Geheimnis zu finden war.
    Goran verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Zu sehr fürchtete er, sie könnten zu zittern beginnen, wenn sich der Kommissär der verborgenen Tür näherte, hinter der der Graf in seinem Sarg ruhte.
    Was würde die Polizei machen, wenn es ihr gelang, ihn aufzuspüren?
    Was könnte Goran tun, um seinen Herrn zu retten?
    In Gedanken begann er an einem Plan zu feilen, bis der Kommissär ihn aus seinen Gedanken riss.
    »Ihr Herr ist ein ordentlicher Mann. Oder Sie ein außergewöhnlich guter Diener. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Sie alles allein bewältigen. Ja, sehr erstaunlich! Das ganze große Haus und dann noch die Stallungen mit den Pferden.« Goran erlag nicht der Illusion, dies für ein Lob zu halten.
    »Allerdings frage ich mich, wo Ihr Herr seine Kleider aufbewahrt. Gibt es nicht neben solchen Gemächern stets ein Ankleidezimmer, in dem der Kammerdiener schläft? So habe ich es in den großen Häusern stets gesehen, die ich die Ehre hatte zu besuchen.«
    Goran versuchte sich an einer freundlichen Miene und führte den Kommissär in das nächste Zimmer, das einmal ein kleiner Salon gewesen war, in der die Familie des Bankiers gewöhnlich das Frühstück eingenommen hatte, nun aber die Fräcke und anderen Kleidungsstücke des Grafen beherbergte. Hofbauer schritt an den beiden langen Stangen entlang und ließ die Hand über den ein oder anderen Ärmel oder Pelzbesatz streifen.
    »Alles da, was man so über das Jahr braucht. Graf Báthory ist gut ausgestattet, das muss man ihm lassen«, sagte er mehr zu sich selbst, und zum ersten Mal war Goran froh, dass sein Herr so umsichtig gewesen war, selbst Kleidungsstücke anzuschaffen, die er eigentlich nicht benötigte, wie warme Mäntel beispielsweise.
    »Gut, dann sind wir hier fertig.« Er beobachtete den Diener bei diesen Worten scharf, und Goran bemühte sich, nicht erleichtert zu wirken.
    »Wie ist Ihr Herr denn heute unterwegs«, fragte der Kommissär fast zu beiläufig, während sie sich wieder dem prächtigen Treppenhaus zuwandten.
    Goran überlegte kurz, dann deutete er auf seine Füße.
    »Aha, dann werden wir wohl alle seine Pferde und Kutschen im Stall vorfinden?«
    Das konnte der Diener guten Gewissens bejahen. Er fühlte sich leichter, als er den Kommissär in den Hof hinunterführte, um ihm die Rösser und Kutschen zu zeigen. Hier war alles in Ordnung. Die einzige Anmerkung, die der Kommissär machte, war, dass der Graf offensichtlich eine Vorliebe für Rappen zeigte. Goran ließ das unkommentiert. Endlich trat der Kriminalbeamte wieder in den Hof, wo die anderen Polizisten bereits auf ihn warteten.
    »Nichts Außergewöhnliches«, lautete Schobermeiers Antwort auf die Frage, was sie gefunden hätten. Seine Enttäuschung versuchte er erst gar nicht zu verbergen. Er hatte den Grafen längst schuldig gesprochen und suchte nur noch nach Beweisen, ihm den Prozess machen zu können.
    »Nichts Außergewöhnliches«, wiederholte der Kommissär, doch sein nachdenkliches Nicken zeigte Goran, dass er nicht so dachte. Für einige Momente stand er in sich versunken da, dann richtete er seinen Blick wieder auf den Diener.
    »Goran, zum Schluss würde ich mir gern die Küche ansehen. Begleiten Sie mich dorthin!«
    Goran konnte nicht verhindern, dass er zusammenzuckte, und ihm blieb nur zu hoffen, dass der Kommissär es nicht bemerkt haben möge.
    András schlug die Augen auf und wusste, dass sich etwas ereignet hatte, das ihm nicht gefiel. Er sprang aus dem Sarg und blieb hinter der verschlossenen Tür stehen, die Hand auf dem Riegel, den er vor kurzem erst von Goran hatte anbringen lassen. András schloss die Augen und witterte. Er konzentrierte sich auf all die feinen Noten, die in der Luft schwebten. Unwillig schüttelte er den Kopf. Die Tür schloss zu gut, als dass er die fremden Gerüche, die durch das

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