Das Herz der Nacht
Gemach und die anderen Räume zogen, hätte erkennen können, dennoch spürte er, dass die Sicherheit seines Hauses gestört worden war. Mit einem Ruck schob er den Riegel zurück und riss die Tapetentür auf. Fast wäre er mit seinem Diener zusammengestoßen, der direkt vor der Tür auf ihn wartete.
»Was ist passiert?«
Seine Gesten waren ein wenig fahrig und sein Gesichtsausdruck gehetzt. Etwas hatte den Zigeuner aus den Karpaten aus der Fassung gebracht, was András noch nicht häufig erlebt hatte. Er konzentrierte sich auf die raschen Handzeichen und forschte in seinem Geist. Zusammen mit den Gerüchen in seinem Gemach, die nicht hierher gehörten, begriff er schnell, was am Morgen vorgefallen war.
»So, so, die Polizei hat also mein Haus durchsucht. Haben sie etwas mitgenommen?«
Goran nickte kläglich, zeigte erst auf das Messer an seiner Seite und dann schräg nach unten, wo irgendwo die Küche lag.
»Meine Messer haben sie mitgenommen? Das ist nicht gut. Und vorgeladen hat mich der Kommissär? Ich soll auf dem Revier vorsprechen, wenn ich zurückkomme?«
Der Diener nickte und zog eine unglückliche Miene.
»Du meinst, ich sollte das lieber nicht tun? Doch wird der Kommissär dann lockerlassen und den Vorfall vergessen? Was, wenn er bei einem der Opfer eines meiner Messer gefunden hat, das er nun mit denen, die er von hier mitgenommen hat, vergleichen kann?«
Nun sah Goran geradezu verzweifelt drein. Seine Gesten deuteten den Biss einer Dogge an, die, hatte sie das Wild einmal gepackt, nicht mehr bereit war, es loszulassen.
András nickte. »Ja, so sehe ich das auch. Der Kommissär hat etwas von einem Saupacker. Wir haben also nur zwei Möglichkeiten …« Goran machte die Geste für eine schnelle Flucht.
»Ja, Wien zu verlassen ist die eine, aber mir steht nicht der Sinn danach, mich wieder einmal ein Jahrzehnt in den Wäldern herumzutreiben, bis mich die Gesellschaft vergessen hat. Die andere Lösung wäre, der Kriminalpolizei einen Täter vorzusetzen, mit dem sie sich zufriedengibt.«
Gorans Hände sprachen wieder so flink, dass András sich konzentrieren musste, ihn zu verstehen.
»Ob ich der Polizei den wahren Täter ausliefern will? Ja, Goran, das ist nicht so einfach.« András senkte den Kopf und legte die Stirn in Falten. »Nein, das ist gar nicht einfach«, murmelte er, während er Goran in sein Ankleidezimmer folgte. Und so blieb er auch stumm in seine Gedanken vertieft, während der Diener ihm aus den Kleidern half und einen sauberen Abendanzug bereitlegte. Goran zog ihm Hemd und Halsbinde an, schloss die Weste und hielt die Jacke bereit, die sich wie angegossen um die kraftvollen Schultern des Grafen schmiegte. Die Pantalones waren eng geschnitten und betonten die muskulösen Beine. Zum Schluss reichte er seinem Herrn ein pelzgefüttertes Cape, den Zylinder, Stock und Handschuhe. Es schneite bereits seit dem Nachmittag in dicken Flocken und schien nicht so schnell wieder aufhören zu wollen. Da war es unauffälliger, sich warm zu kleiden, wie die Menschen. András war schon in der Halle unten, als Goran seine Gedanken unterbrach.
»Ob du einspannen sollst?« András schüttelte den Kopf. »Nein, ich gehe zu Fuß. Du bleibst hier und bist wachsam. Du sagtest, die Polizei habe Hinweise bekommen. Zusammen mit den ›Präsenten‹ die man auf unserer Schwelle zurückgelassen hat, drängt sich die Vermutung auf, dass es für uns noch nicht zu Ende ist. Jedenfalls will ich sehen, dass ich die uns entwendeten Messer wieder in unseren Besitz bekomme. Alle Messer! – soweit sie sich in Händen der Polizei befinden.«
Goran nickte und verbeugte sich vor seinem Herrn, doch seine angespannte Haltung verriet, dass er sich um ihn sorgte. András legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Mein treuer Begleiter, ich weiß deine Fürsorge zu schätzen. Dennoch brauchst du dich nicht zu sorgen. Auch ohne deine schnelle Klinge wird es der Polizei nicht gelingen, mich festzuhalten! Ich werde rechtzeitig vor Sonnenaufgang zurückkommen und hoffe, das Palais noch als meinen sicheren Zufluchtsort vorzufinden. Das ist deine Aufgabe!«
Gorans Hand fuhr an den Griff seines Dolches, und er nickte grimmig.
András war in Gedanken noch bei dem polizeilichen Verhör, dem er sich hatte unterziehen müssen, als er zu seinem Palais zurückkehrte. Er sandte einen Teil seiner Sinne aus, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung war, dann öffnete er die Tür und trat ein. Noch ehe er nach ihm rufen konnte, kam Goran
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