Das Herz der Nacht
standen so nah beieinander, dass es schon einiges Können erforderte, die Schlitten in zwei engen ineinander übergehenden Bogen nah an sie heranzuführen, dass die Dame einen sicheren Stich wagen konnte.
Ein wenig schadenfroh sah Therese, wie die meisten den ersten wohl trafen, beim zweiten jedoch ins Schlingern gerieten und so das Ziel verfehlten. Fürst Liechtenstein versuchte es mit einem zweiten Anlauf, so dass beide Lanzen zwar trafen, er durch den zusätzlichen Bogen jedoch hinter ihren Schlitten geriet.
»Wir machen uns gut«, frohlockte Therese. »Wenn Sie nur ein wenig schneller fahren könnten …«
»Geduld, Teuerste, Geduld. Hatten Sie je Grund, an mir zu zweifeln?«
Das nicht, aber es war so nervenaufreibend, den Leutnant und vor allem ihren Gatten noch immer vor sich zu sehen!
Sie fuhren um den nächsten Kopf eine enge Wendung und nahmen dann den Weg zurück auf den wartenden Schlittenkonvoi der Beobachter zu. Noch immer war keine von Thereses Lanzen fehlgegangen, und auch die nächste Kombination schafften sie. Fürst Liechtenstein holte wieder auf, dafür fiel ein anderer Schlitten, der ganz mit Gold und Straußenfedern verziert war, zurück.
»Die letzte Lanze!«, rief die Fürstin mit vor Erregung zitternder Stimme. »Dann geht es nur noch geradeaus und in einem weiten Bogen durch das Ziel!«
»Ich weiß«, gab András ruhig zurück. »Ihre Aufgabe ist gleichbeendet. Lehnen Sie sich dann zurück und halten Sie sich fest!«
Therese sah, dass sowohl die Lanze des Liechtensteinschlittens als auch die des Husarenleutnants trafen. Und zu ihrem Ärger auch die ihres Gatten, der noch immer mit vorn dabei war.
»Konzentrieren Sie sich auf den Türken!«
Therese stach zu, als András in einem eleganten Bogen um die Figur manövrierte. Sie sah, wie die anderen ihre Peitschen schwangen und die Pferde zum Endspurt antrieben. Der Schlitten ihres Gatten schlingerte und kam dem von Liechtenstein gefährlich nahe.
»Und nun halten Sie sich fest«, sagte András sanft. Therese wollte etwas erwidern, doch ihr blieb jedes Wort im Hals stecken. Nicht dass der Graf auf der Pritsche sich irgendwie bewegt hätte oder auch nur ein lautes Wort seinen Lippen entschlüpfte, doch der Rappe zog unvermittelt an. Es war, als wäre er plötzlich erwacht und laufe nun um sein Leben. Die lange Mähne und der Schweif wehten im Fahrtwind, und die Kufen des Schlittens sausten über den Schnee. Die Fürstin stieß einen Ruf des Entzückens aus. Schon kamen die Schlitten vor ihnen zum Greifen nah. Wie sollten sie da hindurchkommen, ohne einen von ihnen zu rammen?
Therese hielt die Luft an. Angst empfand sie nicht. Ihr Vertrauen in ihren Freund war unerschütterlich. Wenn einer das schaffen konnte, dann Graf András Báthory!
Und richtig, als sie glaubte, der Rappe würde mit dem nächsten Galoppsprung den Schlitten vor ihnen zertrümmern, schwenkte das Pferd nach rechts und huschte so schnell an dem Gefährt vorbei, dass Therese blinzeln musste. Vor ihr waren nun ihr Gatte und Fürst Liechtenstein, die sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Wieder scherte der Rappe aus, dieses Mal nach links. Die beiden Männer auf den anderen Schlitten starrten sie mit vor Überraschung offenen Mündern an, als sie mühelos an ihnen vorbeizogen.
Da passierte es. Fürst Kinsky hatte sich zu lange ablenken lassen. Als er die Zügel mit einem Ruck anzog, machte sein Hengst einen Sprung zur Seite und traf das Pferd des Fürsten von Liechtenstein.
Es ging so schnell, dass Therese nicht sagen konnte, wie es genau ablief. Jedenfalls stürzten Augenblicke später beide Schlitten übereinander, und die Paare kugelten in den Schnee.
Therese blieb keine Zeit zu sehen, ob sie unversehrt geblieben waren, denn nun näherten sie sich dem führenden Husarenleutnant und seiner Cousine Anna Maria von Grünne.
András schloss zu ihnen auf, als gäbe es nichts Leichteres. Er grüßte höflich.
»Eine herrliche Nacht, nicht wahr, Graf Schönberg? Ihr Verehrer, Comtesse von Grünne. Sie haben sich gut geschlagen.«
Der Leutnant ließ sich nicht ablenken. Er hielt die Zähne so fest aufeinandergepresst, dass seine Kiefermuskeln hart hervortraten. Sein Blick blieb starr auf den Rotschimmel und die Schneebahn vor ihnen geheftet. Und auch seine Begleiterin antwortete nicht. Sie klammerte sich nur zu beiden Seiten an der Wand des Schlittens fest, sorgsam darauf bedacht, dass sie das Gefährt nicht mit einer unbedachten Bewegung ins Schlingern
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