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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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irgendeinen kleinen Makel oder Fehler?
    Eine leise Stimme in ihr warnte sie, dass sie diese gar nicht ergründen wollte! Ihr Unterbewusstsein ahnte um die Finsternis in ihm, doch das war nichts, was an solch einem glänzenden Fest an die Oberfläche gelangen durfte!
    Sein Arm in ihrem Rücken fühlte sich ein wenig an wie der einer marmornen Statue, und dennoch waren seine Bewegungen weich und voller Eleganz. Und er trat ihr nicht ein Mal auf die Schuhe! Was man von den Tänzern, die sie gewohnt war, nicht behaupten konnte.
    Zum Glück war heute Maskenball und so die üblichen Konventionen und politischen Überlegungen außer Kraft gesetzt, die sie stets zwangen, einen diplomatischen Kongress aus dem Ausfüllen ihrer Tanzkarte zu machen. Heute durfte sie tanzen, mit wem sie wollte und so oft sie es mochte. Und sie wollte nur mit András tanzen! Das stand natürlich im Gegensatz zu den Wünschen nahezu aller anderen Damen im Ballsaal – zumindest derer, die das sechzigste Lebensjahr noch nicht erreicht hatten und sich im Walzer drehen wollten. Sie wurden alle enttäuscht, wie Therese mit einer gewissen Befriedigung feststellte. Er bat um keine der Tanzkarten und führte nur ein einziges Mal eine andere Partnerin in den Saal. Als Therese den versprochenen Walzer mit Graf Schönfeld einlöste, tanzte er mit Comtesse Grünne und sicherte ihr so den Neid aller anwesenden Adelsdamen.
    Später flanierte Therese am Arm ihres düsteren Grafen durch den für die Gäste zugänglichen Teil Schönbrunns, den Fächer ständig in Bewegung, um ihre erhitzten Wangen zu kühlen.
    »Ich muss lange zurückdenken, um mich an einen solch wunderbaren Ball zu erinnern«, sagte sie und strahlte ihren Begleiter an. András bedankte sich höflich. Sie kamen an der offenen Tür zu einem der kleineren Salons vorbei und waren bereits vorüber, als Therese unvermittelt anhielt und einen Schritt zurücktrat. Ihr Lächeln erstarb. Angewidert sah sie in das Zimmer, in dem sich zwei Personen in den ihnen inzwischen bestens bekannten grünen Kostümen befanden.
    Die Dame lag hingegossen auf einem Canapé, das Kleid bis über die Knöchel hochgerutscht. Ein Schuh war ihr vom Fuß geglitten, und der seidenbestrumpfte Fuß ragte ein wenig in die Höhe. Ihr Gesicht konnte Therese nicht sehen, denn das wurde von ihrem Gatten verdeckt, der sich über sie beugte und etwas tat, von dem Therese gar nicht so genau wissen wollte, was es war, das jedoch den Körper der Dame erbeben ließ.
    »Mein Gott, wie erbärmlich!«, sagte sie leise, ohne sich abzuwenden. Wie konnte er so die Beherrschung und jeden Sinn für Anstand verlieren? Ihr war es gleichgültig, was er mit seinen Mätressen trieb, aber nicht hier auf einem Ball in Schönbrunn!
    Sie fühlte András’ Arm um ihre Schulter, der sie sanft fortzog, doch plötzlich verhärteten sich seine Muskeln. Der Fürst wandte den Kopf und sah sie mit einer Miene an, die eher Verunsicherung als Ärger über die Störung zeigte.
    »Therese, hast du ein Riechsalz?«, drängte er.
    »Das ist ja wohl der Gipfel«, begann sie sich zu ereifern. »Was hast du getan, dass sie sich in eine Ohnmacht flüchten musste?«
    Zu ihrer Überraschung gebot ihr Graf Báthory zu schweigen und eilte so rasch in den Salon, dass sie sich die Augen reiben musste. Schon schob er den Fürsten zur Seite und beugte sich über die Comtesse aus dem Hause Windisch-Graetz, der alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
    »Ich habe sie hier in diesem Zustand vorgefunden«, verteidigte sich der Fürst, obwohl András ihn nicht mit Verdächtigungen bedacht hatte.
    Zu Thereses Erstaunen schien András ihm zu glauben. Nun fragte auch er nach Riechsalz. Therese trat näher und reichte es ihm, doch die Comtesse rührte sich nicht. Wenn es nicht völlig abwegig gewesen wäre, würde Therese vermuten, sie sei tot, so ungesund war ihr Teint trotz des aufgetragenen Puders. Oder war das nur der Widerschein dieses scheußlichen Grüns?
    András stellte das Fläschchen mit einer Miene des Bedauerns zur Seite. Seine Hand legte sich an ihren Hals.
    »Sie hat doch nicht etwa der Schlag getroffen?«, fragte Therese mit ein wenig unnatürlich hoher Stimme. »In ihrem Alter? Das kann nicht sein!« Außerdem müsste ihr Gesicht dann rot, ja fast bläulich sein und nicht so durchscheinend blass.
    András schob die Rüschen ihres hohen Kragens beiseite. »Nein, nicht der Schlagfluss, eher das Gegenteil. Eine, sagen wir, unnatürliche Schwäche durch Blutarmut.«
    Therese

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