Das Herz der Nacht
brachte.
Therese warf einen abschätzenden Blick auf die Ziellinie, die nun kaum zweihundert Schritte vor ihnen gezogen war, doch noch immer fuhren die Schlitten auf gleicher Höhe nebeneinander her. Der Leutnant versuchte, sein Pferd noch mehr anzutreiben. András tippte sich an seinen Hut.
»Wir müssen nun leider weiter. War nett, mit Ihnen zu plaudern. Wir sehen uns dann auf dem Ball!«
Es bedurfte seiner Warnung nicht. Therese krallte sich an den hölzernen Verzierungen fest.
Träumte sie? Sie schienen geradezu zu fliegen. Wie war das möglich? Der Schlitten des Husarenleutnants blieb hinter ihnen zurück, als habe dieser sein Pferd in Schritt fallen lassen, während der Rappe dem Ziel entgegenflog. Ehe Therese recht begriff, rauschten sie unter dem Beifall der Beobachter über die Ziellinie. Der Rappen machte noch zwei Sprünge und hielt dann an. Ja, er blieb stehen und schien zu einem Standbild einzufrieren. András sprang von der Pritsche und ging zuerst zu seinem Rappen. Er legte ihm die Handfläche zwischen die Augen und sprach ein paar leise Worte. Das Pferd schnaubte einmal kurz und senkte den Kopf, dann erstarrte es wieder.
András wandte sich der Fürstin zu und half ihr beim Aussteigen. Er küsste ihr beide Hände. »Ich danke für Ihre Begleitung. Sie haben sich ganz wunderbar geschlagen.«
»Sie waren unglaublich«, jubelte Therese und küsste ihn herzhaft auf die Wange. »Mein Freund, ich kann es nicht glauben, obwohl ich ja wusste, dass Sie ein Magier mit Pferden sind.«
»Satyr ist ein ganz besonderes Tier«, wiegelte der Graf ab. »Es muss einem nur gelingen, das aus ihm herauszuholen, was in ihm schlummert.«
»Und das haben Sie meisterlich verstanden. Wir haben gewonnen!«, rief sie begeistert.
András hob die Augenbrauen. »Ich dachte, damit hätten Sie fest gerechnet?«
»Natürlich, aber darf ich mich nicht dennoch darüber freuen, dass wir als Erste das Ziel erreicht haben, statt wie andere dort draußen im Schnee zu baden?«
Sie deutete in die Richtung, wo ihr Gemahl noch immer damit beschäftigt war, sein Pferd einzufangen, dem es gelungen war, sich loszureißen und dem ganzen Zirkus zu entfliehen.
»Sie dürfen!«, stimmte ihm András zu und schmunzelte.
»Kommen Sie. Der kleine Erzherzog winkt nach uns. Ich denke, er wird uns unsere Lorbeeren überreichen.«
Lorbeeren waren es zwar nicht, doch der zukünftige Kaiser gratulierte ihnen ganz artig zu ihrem Sieg und der spektakulären Fahrt.
»Wir werden uns den Namen Báthory merken müssen«, sagte er, als er András seine schmale Hand reichte.
»Zu gütig, Majestät«, murmelte András und führte die Fürstin fast ein wenig hastig zu ihrem Schlitten zurück.
Die meisten Paare hatten nun die Ziellinie passiert, und so wie es aussah, war auch keinem der Verunglückten mehr passiert, als dass ihre Kostüme und Frisuren ein wenig nass und derangiert worden waren. Leutnant Schönfeld und seine Cousine nahmen den Verlust ihres Sieges gelassen. Der Offizier winkte zu ihnen herüber.
»Das war ein Teufelslauf, Graf. Was für ein Pferd! Mit Ihnen würde ich gern einen Ausritt wagen. Mein Kompliment an Sie und an unsere liebe Fürstin für Ihre Treffsicherheit!«
Therese bedankte sich huldvoll und versprach, später einen Tanz auf ihrer Karte für ihn zu reservieren.
»Ja, tun Sie das, damit ich Sie nach allen Regeln der Kunst aushorchen kann, welch diabolischer Werkzeuge Sie sich bedient haben. Denn das konnte unmöglich ohne Hilfe des Himmels oder der Hölle so vonstattengehen!«
Therese lachte und winkte den beiden noch einmal zu.
»Ein echter Kavalier und ein guter Sportsmann, der auch eine Niederlage gut wegstecken kann«, sagte sie lobend, als sich der Schlitten entfernte.
»Ja, er schon«, sagte András nur, doch Therese hatte die Blicke bereits bemerkt, die ihr Gatte ihnen zuwarf. Sie waren alles andere als freundlich. Therese seufzte.
»Nein, er wird uns wohl nicht zu unserem Sieg gratulieren.«
»Das vermute ich auch nicht. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, wenn ihn sein Zorn nicht dazu treibt, mich noch heute Nacht zu fordern.«
»Vertrauen Sie darauf, dass er dazu zu träge und zu feige ist.« Therese wandte sich ab.
»Und nun, auf nach Schönbrunn. Ein Festessen und der Ball warten auf uns!«
19. Kapitel
Maskenball in Schönbrunn
Er war ein himmlischer Tänzer. Was sonst. Die Fürstin wunderte es nicht. Gab es denn etwas, was dieser Teufelsgraf Báthory aus Siebenbürgen nicht konnte? Hatte er
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