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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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als ein paar Stunden überlebt.«
    »Wir haben ihn schon einmal unterschätzt«, knirschte der Untergebene. »Vielleicht gibt mir das die Genugtuung, ihn doch irgendwann an einem Strick baumeln zu sehen.«
     
    22. Kapitel
    Ileana
    Er hörte eine Stimme. Sie klang sanft und fügte ihm dennoch Wunden tiefer als Messerklingen zu. András hatte geglaubt, es wäre ihm gelungen, sie abzuschütteln. Zu vergessen. Für immer zu überwinden.
    Nein, man konnte nicht vor den eigenen Erinnerungen fliehen. Und selbst wenn sie viele Jahre lang schwiegen, wenn man sie am wenigsten fürchtete und in seiner Wachsamkeit nachließ, fielen sie wieder über einen her und schlugen ihre Krallen tief ins Fleisch.
    András hätte sich die Hände gegen den Kopf gepresst, wenn er die Stimme in seinem Geist dadurch hätte vertreiben können. Sie kam zu ihm, weil er schwach war. Sie hatte es immer verstanden, die Schwächen anderer zu erkennen und für sich zu nutzen.
    Ach mein Lieber, vergeude nicht deine Kräfte. Du bist verletzt und schwach. Es wäre sinnlos. Einmal ist dir die Flucht gelungen, ein zweites Mal wirst du mich nicht überlisten.
    András blinzelte. Sein Geist war wieder klar. Die Erinnerung zog in scharfen Bildern vorüber. Er war angeschossen worden. Zwei Mal. Die Kugeln hätten einem menschlichen Körper tödliche Wunden zugefügt, und auch er hatte bedenklich viel Blut verloren, bis er sich in die Gruft hatte retten können. András spannte im Wechseln seine Muskeln an und tastete nach den Wunden. Wie erwartet hatten sie sich während des Tages geschlossen. Dennoch herrschte noch der Schmerz in seinem Körper. Er hatte seine Kräfte noch nicht vollständig zurückgewonnen.
    Ja, so ist es. Erwarte nicht, dass ich Mitleid mit dir empfinde , mischte sich die Stimme wieder ein. Du hast deine Strafe verdient. Heute Nacht wird es zu Ende gehen, und dann werde ich mir überlegen, ob ich dich in Gnaden wieder aufnehme, obwohl du es verdient hättest, vernichtet zu werden. So wie du meinen Diener Vasiles zerstört hast.
    Die Stimme war nicht nur Erinnerung! Mit wachsendem Entsetzen wurde András klar, dass sie hier war. Hier unten in der Michaelergruft! Ileana hatte ihn gefunden, und sie war gekommen, um ihre Rache zu vollenden. András spürte, dass er noch zu schwach war, um auch nur einen Hauch von einer Chance gegen sie zu haben. Spitze Fingernägel scharrten über den Sargdeckel.
    Wie schön, dass du das einsiehst. Und ich hoffe, du kommst auch reumütig zu dem Schluss, dass es ein Fehler war, mich zu verlassen, und dass du deine Strafe verdient hast! Habe ich sie dir nicht virtuos gestaltet? Ein Drama, eine Posse, ein großes Spiel, ja, es war meiner würdig. Sag mir, mein Liebster, wie lange ist es mir gelungen, dich an der Nase herumzuführen? Meine Helfer haben gute Arbeit geleistet. Es ist ein wenig schade um Vasiles. Ich fand, er war einer meiner besseren Schöpfungen. Doch wenn ich es mir recht überlege, brauche ich ihn nicht mehr, jetzt da du mit mir zurückkehren wirst.
    Während András Illeanas Worten lauschte, überlegte er, wie es ihm gelingen könnte, sich einen Vorteil ihr gegenüber zu verschaffen.
    Noch immer ein Rebell? Ja, ich weiß, das war es ja, was mich stets an dir faszinierte.
    So sehr, dass sie nicht nur sein Blut getrunken, sondern ihn zu einem ihrer Sklaven gewandelt hatte.
    Zu meinem Gefährten!, widersprach die Vampirin, die noch immer mühelos in seinen Gedanken las.
    Was du so unter Gefährten verstehst. Wenn du keinen Sklaven suchst, dann musst du mir auch die Freiheit zugestehen, selbst zu bestimmen, wo und wie ich meine Ewigkeit ausfülle. Also geh zurück in die Karpaten und lass mich hier in Frieden!
    Ileana lachte glockenhell. »Ach András, mein Liebster, so einfach geht das nicht. Du gehörst mir. Ich habe dich mit meinem Blut geschaffen. Du bist für alle Ewigkeit an mich gebunden. Und deshalb muss ich nun deine Strafe zu Ende bringen. Du hast es längst erraten, nicht wahr, oder hat Vasiles geplaudert?
    Ich allein darf dir von Bedeutung sein! Die Fürstin und deinen Zigeuner haben wir erledigt. Nun fehlen noch die Pianistin und ihre Tochter. Ich werde sie mir munden lassen. Du weißt, dass ich mich stets lieber an jungen Frauen und Mädchen gütlich getan habe. Ja, sie werden mir schmecken!
    Warte hier auf mich – bemühe deine noch schwachen Glieder erst gar nicht. Ich habe den Sarg gut vernagelt. Sei brav, es wird nicht lange dauern. Dann komme ich, dich zu holen.«
    Sie war weg.

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