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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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gerechten Zorn. »Wo sind wir denn?«
    »Nicht mehr in Österreich«, war alles, was András in diesem Moment zuzugeben bereit war.
    »Siehst du«, rief Sophie. »Er will uns retten, nicht schaden. Beweist es das nicht ganz klar?«
    Karoline sackte in den Kissen zusammen. Die Nachricht, dass sie ihr Heimatland vielleicht für immer verlassen hatten, traf sie und stürzte sie in einen Strudel wirrer Gefühle.
    »Ist mein Bruder wirklich tot? Ermordet, wie Sie behaupten? Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit. Was haben Sie zu verlieren?«
    »Ja, er ist tot. Ileana hat ihm sein Blut und sein Leben geraubt, und dasselbe wollte sie mit Ihnen tun.«
    Karolines Gesicht war unbeweglich, ihre Gedanken jedoch kreisten und versuchten das Gehörte zu begreifen. András ließ ihr Zeit. Endlich richtete sie ihren Blick wieder auf ihn.
    »Diese Ileana, diese Vampirin, die kam Ihretwegen, oder?«
    »Ja«, gab er widerstrebend zu. »Sie kam, um mich zu strafen und um mich nach Siebenbürgen zurückzuholen.«
    Karoline nickte. Ein bitterer Ausdruck trat in ihre Miene. »Ihr Augenmerk wäre niemals auf unsere Familie gefallen, hätten Sie sie nicht zu uns geführt! Wenn Sie nicht zu uns gekommen wären, dann würde Carl noch leben und vielleicht auch unser Vater. Und dann müssten Sie uns jetzt nicht außer Landes bringen, um uns zu schützen!«
    Wieder nickte András. »Ja, so ist es. Doch zu meiner Verteidigung darf ich anbringen, ich habe mich bereits vor vielen Jahren von ihr losgesagt. Für Ileana waren die jungen Vampire, die sie sich schuf, Sklaven, über die sie nach Belieben verfügen konnte. Es hat mehr als ein Jahrhundert bedurft, bis es mir gelang, mich von ihrer Macht zu befreien. Ich floh nach Prag und reiste durch viele Orte, bis ich nach Wien kam, um ein neues Leben zu beginnen. Ich dachte nicht, dass sie mir nach all der Zeit noch immer folgt, um mich für den Verrat in ihren Augen zu strafen und mich zurück an ihre Seite zu zwingen. Als ich Sie aufsuchte, dachte ich niemals daran, Sie und Sophie einer Gefahr auszusetzen, die ich nicht kontrollieren kann. Ich wollte Pianoforte spielen und Ihrer wundervollen Musik lauschen, und ich wollte Sophies Gesellschaft, die so anders ist als die der Menschen, die ich gewohnt war.«
    Karoline sah ihn an und zwinkerte ein paar Mal, sagte aber nichts. Sophie brach die Stille.
    »Ich glaube ihm! Er ist unser Freund und hat mir einen Schwur geleistet. Er will uns schützen!«
    »Und Carl?«
    »Er wäre noch am Leben, hätte er mit Ihnen zusammen Totenwache gehalten. Es ist niemandes Schuld. Das Schicksal war gegen ihn.«
    »Das Schicksal«, wiederholte sie bitter. »So einfach ist das.«
    »Ja, so einfach und so ungerecht, aber auch so unabänderlich.«
    Wieder schwieg sie lange, und András überließ sie ihrem inneren Kampf.
    »Und wie soll es nun weitergehen? Haben Sie vor, uns den ganzen Winter über durch die Lande zu kutschieren, bis wir nach Wien zurückkehren können?«
    »Wir werden nicht nach Wien zurückkehren.« Er ließ sich von ihrem Ruf des Entsetzens nicht unterbrechen. »Wir werden ein neues Leben beginnen. Sie, Sophie und ich, und wir werden alle Chancen nutzen, die die Welt uns zu bieten hat. Was lassen Sie in Wien zurück außer Ihren Toten? Was hat diese Stadt Ihnen je gegeben? Kummer und Schmerz und ein Leben in selbstauferlegter Buße und Einsamkeit. Nun werden sich neue Tore öffnen, Sie müssen nur den Mut haben, sie zu durchschreiten. Ich habe alles, was wir brauchen, um uns ein bequemes Auskommen zu bieten. Was bliebe Ihnen in Wien? Wie würden Sie sich und Sophie ernähren?«
    »Ich weiß es nicht!«, schrie Karoline, und ihr schossen Tränen in die Augen. »Darüber habe ich nicht nachgedacht, denn ich hatte bis vor wenigen Tagen noch einen Vater und einen Bruder, die für uns sorgten.«
    Sophie legte ihre Hände auf die der Mutter. »Und nun haben wir András, der sich um uns kümmert.«
    »Ja, wenn Sie es zulassen. Denken Sie darüber nach. Ich muss wieder auf den Kutschbock. Wir sollten zusehen, dass wir in dieser Nacht noch einige Meilen hinter uns bringen.« Und so ließ er Karoline mit ihren Gedanken in der Kutsche zurück.
    Als er in den frühen Morgenstunden auf freiem Feld noch einmal anhielt, trat Karoline auf ihn zu.
    András stand vorn bei den Pferden und sprach leise mit ihnen, um ihnen zu danken. Sie hatten in den vergangenen Tagen Beachtliches geleistet und sie trotz Schnee und schlechter Straßen gut vorangebracht. András spürte Karolines

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