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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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und Tränen über uns bringen.«
    András lehnte sich neben sie auf die Brüstung und sah zu den verschneiten Weinbergen hinüber, über denen sich eine Burgruine erhob.
    »Ja, du hast es geahnt, und ich versprach dir, dass ich dich und deine Familie beschütze.« Er lachte ein wenig bitter. »Wie leichtfertig und anmaßend von mir, nicht wahr?«
    »Sie konnten nicht wissen, dass diese Ileana auftaucht und uns zu töten versucht«, entschuldigte ihn Sophie. »Und dann haben Sie ja alles darangesetzt, uns zu beschützen, wie Sie es versprochen haben. Sie wären selbst beinahe vernichtet worden! András, mehr kann man nicht verlangen.« Sie sah treuherzig zu ihm auf.
    »Ich danke dir, dass du ein solch großmütiges Herz besitzt, das mir verzeiht. Ich fürchte nur, vor deiner Mutter werde ich nicht so schnell Gnade finden.«
    Sophie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Grämen Sie sich nicht, András. Sie ist immerhin bereit, das neue Leben mit uns zu versuchen. Mehr können wir im Augenblick nicht von ihr verlangen. Sie vermisst Großvater und Carl mehr als ich und ist deshalb sehr traurig. Es ist für Mama einfacher, Ihnen die Schuld zu geben, dann kann sie wenigstens auf Sie wütend sein statt nur ängstlich und verzweifelt.«
    »Hast du denn gar keine Angst?«
    Sophie schüttelte den Kopf. »Aber nein. Warum sollte ich? Sie werden doch bei uns sein.« Sie schob ihre Hand in die seine.
    »Komm, gehen wir hinein.«
    Sie folgte ihm, blieb aber vor der Tür noch einmal stehen. »Sie müssen Geduld mit ihr haben. Wenn wir erst einmal eine Weile zusammen sind und Mama Sie besser kennt, dann wird sie Sie so sehr lieben, wie ich es tue. Und dann wird sie Ihnen auch verzeihen.«
    András beugte sich herab und küsste ihr Haar. »Du bist sehr weise, kleine Sophie. Ich frage mich, wie viele Leben du schon durchlaufen hast.«
    Das Kind gluckste. »Meinen Sie wirklich, ich wurde schon einmal geboren? Vielleicht war ich ein Vampir wie Sie? Ja, ich glaube, ich war schon immer ein Kind der Finsternis.«
     
    24. Kapitel
    Hamburg
    Mama, ist die Sonne noch immer nicht untergegangen?«
    Karoline sah nicht einmal von ihrer Handarbeit auf.
    »Nein, es wird noch eine Weile dauern. Gedulde dich, mein Kind.«
    Sophie stieß einen Laut des Unmuts aus und nahm ihre Wanderung durch den Salon wieder auf. Noch hatte Karoline keine Lampe entzündet. Der warme Maitag neigte sich nur zögerlich seinem Ende zu. Die beiden großen Fenster boten einen herrlichen Ausblick über die Binnenalster im Schein der Abendsonne, im Süden den Jungfernstieg mit seinem Pavillon und den prächtigen Häusern der reichen Kaufmannschaft, im Osten das Häusermeer, das bis zu den Befestigungswällen reichte, wo sie den großen Bahnhof errichtet hatten, der am Samstag nach Himmelfahrt eingeweiht werden sollte. Die Türme der Petri- und der Jakobikirche ragten golden angestrahlt über den Dächern auf.
    »Mama?« Karoline hob den Blick.
    »Nein, die Sonne ist noch nicht hinter dem Wall versunken. Die Dächer auf der anderen Uferseite werden noch von ihren Strahlen erhellt. Setz dich!«
    Sophie gehorchte widerwillig. »Wenn wir nur ein Haus genommen hätten, dessen Fenster nach Westen zeigten.«
    Karoline lächelte. »Wäre dir die Zeit bis zum Abend dann nicht so lang?«
    Sophie seufzte tief. »Das nicht, aber ich könnte selbst ans Fenster treten und spüren, wie die Strahlen nach und nach verblassen. Nein, er hat dieses Haus nicht gut gewählt!«
    Karoline protestierte. »Sophie, sei nicht ungerecht. Es ist ein sehr schönes Haus, mit allen modernen Bequemlichkeiten, die man sich vorstellen kann, und in einer vornehmen Lage, hier direkt an der Alster. Wir können zu Fuß bequem durch die Stadt schlendern und brauchen nicht stets eine Droschke. Die Räume sind großzügig und hell mit hohen Decken. Und auch die Möbel, Polster und Teppiche hat Peter geschmackvoll gewählt.«
    »Ich dachte, du hättest sie ausgesucht«, widersprach das Mädchen.
    »Ich habe meine Meinung geäußert, aber es war Peters Entscheidung.«
    »Und sein Geld«, fügte Sophie hinzu.
    »Ja, sein Geld. Er ist sehr großzügig zu uns und schlägt uns nie eine Bitte ab.«
    Sophie schnaubte. »Du bittest ihn ja auch nie um etwas. Er muss dir jedes neue Kleid und jeden Schal geradezu aufdrängen. Und wenn es nach dir ginge, dann würdest du vermutlich sogar die Böden selbst schrubben.«
    Karoline wehrte ab. »Nein, ich bin ihm für die beiden Mädchen, die mir zur Hand gehen, sehr dankbar. Sie

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