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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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davon, wenn ich diese Reise durch die Lande – noch dazu während des Winters – hinauszögere? Sie müssen mir nur sagen, wie unser nächstes Ziel heißt. Wenn ich mir unsicher bin, kann ich in den Ortschaften ja nach dem Weg fragen.«
    András verbeugte sich zu einer tiefen Referenz. »Karoline, ich wusste bereits, dass Sie eine Künstlerin von außergewöhnlicher Begabung sind, nun weiß ich, dass ich auch eine Frau von außergewöhnlichem Charakter vor mir habe. Sie werden mit den Pferden keine Schwierigkeiten haben. Nehmen sie die Zügel nur locker an, ich werde den Rappen sagen, dass sie Ihnen dienen sollen.« Er griff in seine Tasche und holte eine Rolle Münzen hervor. »Hier haben Sie Geld, falls Sie unterwegs in einem Gasthaus anhalten, sich aufwärmen und etwas essen möchten. Ich übernehme den Kutschbock dann wieder, sobald es dunkel ist.«
    Nun war es an Karoline, ihn überrascht anzusehen. Sie starrte erst auf die Geldrolle in ihrer Hand und dann in sein Gesicht.
    »Sie geben mir Geld und vertrauen einfach darauf, dass ich mich an mein Wort halte?«
    »Aber ja. Ich bitte Sie nur, von unterwegs zu niemandem in Wien Kontakt aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob Ileana sich überhaupt von dem Schaden erholt, den das Weihwasser angerichtet hat, und ob sie noch Lust verspürt, ihre Rache zu vollenden, doch falls dies der Fall sein sollte, möchte ich ihr keine Spur legen, die sie allzu leicht verfolgen kann. Also, wenn Sie wissen möchten, was mit Ihrem Vater und Ihrem toten Bruder geschehen ist, dann werden wir von unserem Ziel aus Möglichkeiten finden, unauffällig einen Kontakt herzustellen.«
    »Ich werde davon Abstand nehmen, wenn Sie diese Vorkehrung für notwendig erachten, auch wenn mich die Ungewissheit quält.«
    Wieder sah sie auf die Geldrolle herab und schüttelte noch immer ungläubig den Kopf.
    András lächelte. »Was? Passt das nicht zu Ihrer Vorstellung von einem blutsaugenden Monster? Dachten Sie, ich würde Sie als Gefangene halten und von nun an stetig kontrollieren?«
    »Sie haben mich betäubt und gegen meinen Willen mitgenommen!«, erinnerte ihn Karoline.
    »Ja, und das tut mir leid. Ich sehe aber immer noch keinen anderen Weg, wie ich Sie und Sophie in dieser Situation aus der tödlichen Gefahr hätte lösen können. Sie waren in der Kirche für meine Argumente nicht zugänglich.«
    Karoline schnaubte durch die Nase. »Wer wäre solchen unglaublichen Behauptungen zugänglich und würde aufgrund haarsträubender Legenden bereit sein, sein Leben wegzuwerfen und Hals über Kopf davonzulaufen?«
    »Ja, das war ein wenig viel«, stimmte ihr András sanft zu.
    »Fahren wir jetzt endlich weiter?«, rief Sophie aus dem Wageninnern.
    »Aber ja!«, beschwichtigte sie Karoline und ergriff András’ Hand, um sich auf den Kutschbock helfen zu lassen.
    »Wohin geht es?«, fragte sie noch einmal.
    »Immer nach Westen, bis wir auf den Rhein stoßen. Dann werden wir ein Schiff besteigen, um unsere Spuren endgültig zu verwischen, und dem Strom nach Norden folgen.«
    »Und wie heißt unser Ziel? Oder wollen Sie das noch nicht verraten?«
    »Ich dachte an die freie Hansestadt Hamburg.«
    Karoline sah in die Ferne nach Westen, wo die Nacht noch zu herrschen schien.
    »Hamburg«, wiederholte sie leise. »Ja, das hört sich wie ein Versprechen auf ein neues, freies Leben an.«
    András kletterte in den Kasten und schloss den Deckel, gerade rechtzeitig, ehe die ersten Sonnenstrahlen den Himmel mit Feuer übergossen und die einsame Schneelandschaft unter sich erglühen ließen.
    Es ging bereits auf Mitternacht zu. András trat neben Sophie an die Reling und sah zum Ufer hinüber, wo schroffe Felsen aufragten, auf denen Burgen mit mächtigen Mauern und Türmen thronten.
    »Bist du denn gar nicht müde?«, fragte András das Mädchen. »Deine Mutter sagt, du bist bereits seit Nachtmittag hier draußen.«
    Sophie überlegte. »Müde, ja, und auch hungrig. Und kalt ist es auch hier im Fahrtwind auf dem Rhein.«
    »Und dennoch willst du nicht hereinkommen?«
    Sophie schüttelte den Kopf. »Nein, es klingt zwar albern, aber jedes Mal, wenn ich mich schlafen lege, fürchte ich, alles war nur ein Traum, und wenn ich erwache bin ich zurück in Wien und Sie sind verschwunden.«
    »Dann freust du dich auf dein neues Leben?«
    Sophie wandte sich ihm zu. »Das wissen Sie doch! Es ist alles so aufregend, seit Sie in unser Leben getreten sind, und dennoch hatte ich auch mit meinen Befürchtungen recht, dass Sie Unglück

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