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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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tiefe Stiche mit dem Dolch zu verpassen, doch da er ihr Herz verfehlte, richteten sie nicht allzu großen Schaden an. Der Wolf dagegen schloss seinen Rachen um seinen Unterschenkel und biss ihn fast durch. András spürte die Knochen splittern. Er stieß das Messer bis an sein Heft in den Wolfspelz. Der Kiefer lockerte sich, dann hetzte das Tier erneut davon.
    András unterdrückte einen Fluch. Das Bein war nicht mehr zu gebrauchen. Er verlagerte sein Gewicht auf die andere Seite, die mit seinem Blut ebenfalls bereits an Kraft verlor. Sollte er sich gleichfalls zum Wolf wandeln? Er wäre auf vier Pfoten zumindest beweglicher als mit diesem einen nutzlosen Bein. Doch ihm war klar, dass Ileana den Moment der Hilflosigkeit am Scheitelpunkt zwischen beiden Gestalten für sich zu nutzen wissen würde.
    Wo war sie überhaupt? Hinter der Kutsche? Was tat sie dort? Welche Teufelei würde ihren nächsten Angriff begleiten?
    Der große, graue Wolf trat wieder in sein Blickfeld. Die Wunden schienen ihn nicht zu beeinträchtigen, obgleich sie einen echten Wolf wohl zum Rückzug gezwungen hätten. Was hatte sie vor? András sah die Nebelfetzen auf sie zustreben und sich um sie verdichten. Sie wollte sich verwandeln. Aber in was?
    Ganz gleich, was es war, dieser Augenblick machte sie verletzlich. Für einen Sprung mit seinem nutzlosen Bein war sie zu weit weg. Ileana war weder dumm noch leichtsinnig. Sie wusste seine Kräfte einzuschätzen.
    Aber etwas wusste sie nicht. András ließ den Dolch fallen.
    »Sophie, die Lampen. Wirf sie herüber!«
    Erstaunlich, wie schnell das Kind reagierte. András fing drei der kleinen Lampenbehälter aus der Luft und schleuderte sie mit aller Kraft, die er noch in sich hatte, auf den Wolf, der die Wandlung zur Menschenfrau beinahe abgeschlossen hatte.
    Eines der Wurfgeschosse verfehlte sein Ziel, doch den anderen beiden konnte Ileana nicht mehr auszuweichen. Die kleinen Behälter aus Glas zersplitterten. Entsetzt riss die Vampirin die Augen auf. Ein Schrei stieg in die Nacht, der nichts Menschliches an sich hatte. Das Weihwasser dampfte. Es fraß sich in ihre Haut, schlug rote Blasen und färbte sie dann schwarz.
    »Schnell, in die Kutsche!«, rief András. Sophie lief auf ihn zu, die Mutter noch immer fest an der Hand. Die Lider geschlossen trippelte Karoline hinter ihr her.
    András hinkte zur Kutsche. Sein rechter Fuß schien nur noch durch ein paar Muskelfasern mit dem Bein verbunden zu sein. Es gelang ihm kaum mehr, den Schmerz zu ignorieren und weiter klar zu denken. András riss den Schlag auf, drängte Sophie und Karoline hinein und warf die Tür hinter ihnen zu.
    »Festhalten!«
    Mit seinem unversehrten Arm zog er sich auf den Kutschbock hoch, und noch ehe er saß, stoben die Rappen in wildem Galopp über den Platz davon.
    Das Letzte, was András sah, war Ileana, die sich unter Schmerzen wand, während sich das Weihwasser brodelnd und zischend in ihren Körper fraß.
    Dann war der Michaelerplatz verschwunden, und die Hufe donnerten zwischen den Häuserschluchten hindurch auf das Stadttor zu.
     
    23. Kapitel
    Auf der Flucht
    Wie geht es deiner Mutter«, fragte András, als er in die kleine Dachkammer des Gasthauses trat.
    »Sie hat den ganzen Tag geschlafen, so wie Sie es gewollt haben«, antwortete Sophie ein wenig bekümmert.
    »Wie geht es Ihnen? Diese Vampirin hat Sie ziemlich schwer verletzt, nicht wahr? Es war sehr verwirrend. Wollen Sie mir nicht genau erzählen, was alles passiert ist?«
    »Später, Sophie. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir unseren Abstand zu Wien möglichst schnell vergrößern. Die Pferde sind eingespannt. Wir können fahren.«
    András flüsterte Karoline etwas ins Ohr. Sie riss die Augen auf, ihr Blick blieb jedoch verschleiert, ihre Bewegungen unsicher und hölzern. Er nahm sie bei der einen Hand, Sophie bei der anderen und führte sie zu der wartenden Kutsche.
    »Unter der Bank steht ein Korb, falls du Hunger bekommst. Wir werden – wenn möglich – die Nacht fahren, ohne anzuhalten.«
    Sophie nickte. Sie schien alles zu verstehen oder zumindest hinzunehmen, was er entschied. Nur um ihre Mutter sorgte sie sich sichtlich.
    »Wann wird sie wieder aufwachen?«
    »Wenn ich es ihr befehle.«
    »Und wann wird das sein? Sie muss doch auch etwas essen. Man kann nicht immer nur schlafen.«
    »Ich werde sie wecken, sobald wir die Grenze zu Bayern passiert haben. Wir können nicht riskieren, dass sie einen Zank vor den Grenzern beginnt und verkündet, entführt

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