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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Nähe, doch er wandte sich ihr nicht zu. So stand sie einfach neben ihm, den Blick auf den Horizont gerichtet, der sich zögerlich in einem Hauch von Rosa erhellte. Endlich brach sie die Stille.
    »Was für ein Anblick. Ich bin noch nie in meinem Leben in einer Winternacht auf freiem Feld gestanden und habe das erste Licht des Morgens am Himmel beobachtet. Was es wohl alles auf dieser Welt gibt, das ich noch nicht gesehen habe?« Ihre Stimme klang weich und verletzlich. Langsam wandte sich András ihr zu, sagte aber nichts.
    »Wohin werden wir fahren?«
    »Sagen Sie es mir! Wo möchten Sie mit Sophie leben?«
    Karoline hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich habe mir niemals Gedanken darüber gemacht. Ich dachte nicht, Wien jemals zu verlassen.«
    »Dann wollen wir überlegen, wie Ihre neue Heimat aussehen soll. Möchten Sie in einer großen, modernen Stadt leben, im pulsierenden Strom des Lebens, mit einem Theater und einer Oper, zwischen Musikern und Literaten? Möchten Sie weiterhin deutsch sprechen, oder könnten Sie sich auch mit den Franzosen anfreunden? Ah, ich sehe, Sie zucken zusammen, also keine Franzosen?«
    Ein Hauch von einem Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich weiß es nicht, Graf Báthory. Ich bin Ihnen keine Hilfe.«
    »Sagen Sie András zu mir. Sophie tut es längst.«
    Karoline nickte versonnen. »Ja, Sophie vertraut Ihnen und mag Sie sehr. Was für eine seltsame Konstellation.«
    »Warum seltsam? Sind wir nicht beide – jeder auf seine Weise – durch einen Spielzug der Natur zu einem Wesen der Dunkelheit geworden? Auch sie gehört nicht in die normale Gesellschaft. Sophie hat in ihrem jungen Leben nur wenige Menschen kennengelernt und kaum jemand, der auf sie eingeht und sie mit ihrer ganz eigenen Welt zu verstehen versucht. Nein, das ist kein Vorwurf an Sie! Nur eine Erklärung, warum sie sich so vertrauensvoll an mich hängt.
    Sophie ist einsam – und ich bin es ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen. Ich kann nur hoffen, dass Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass auch ich Sophie sehr gerne mag. Ihre Gesellschaft ist für mich ein Wunder und eine Bereicherung meiner Ewigkeit, die so viel Leere mit sich bringt. Karoline, ich bitte Sie, versuchen Sie, mir ebenfalls zu vertrauen und mir zu glauben, dass ich nichts Böses gegen Sie und Sophie im Sinn habe. Meinen Sie, Sie bringen das über sich?«
    Karoline hob die Schultern. »Ja, vielleicht. Es hört sich aufrichtig an, und ich glaube, Sophies Instinkte sind die besseren, obwohl es ihr an Lebenserfahrung fehlt. Doch mit welcher Menschenkenntnis kann ich schon aufwarten?« Sie lachte bitter.
    »Dann wollen Sie es mit mir versuchen? Werden Sie mit mir kommen und nicht während des Tages irgendeinen irrwitzigen Versuch unternehmen, mir davonzulaufen und nach Wien zurückzukehren?«
    Karoline seufzte. »Nein, das werde ich nicht tun. Ich verspreche es für Sophie. Vielleicht hat sie in Ihrer Nähe wirklich ein besseres Leben, als wenn ich dazu gezwungen wäre, mich mit ihr allein durchzuschlagen.«
    András verbeugte sich vor ihr, hütete sich aber, ihr zu nahe zu kommen oder sie gar zu berühren.
    »Und werden Sie mir auch irgendwann verzeihen?«
    Sie hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, András. Ich weiß es nicht.«
    Das Rosa des Himmels wurde leuchtender und begann sich orange zu verfärben.
    »Wir müssen weiter, ein Gasthaus suchen, wo Sie den Tag verbringen können. Hier draußen würde es sehr einsam und kalt werden.« András ging nach hinten und öffnete den Schlag. Sophie, die in der Kutsche gewartet hatte, wandte ihm ihr ernstes Gesicht zu. Sie fragte nicht. Vielleicht hatte sie gelauscht.
    Karoline trat auf die offene Tür zu, hielt dann aber inne. »Wenn wir es so eilig haben, warum fahren wir dann nicht auch bei Tag? Müssen die Pferde so lange rasten?«
    »Nein, das nicht, es genügt, sie ab und zu eine Stunde ruhen und im Schritt gehen zu lassen, doch ich kann nicht kutschieren, während die Sonne am Himmel steht. Dieser Teil der Legenden, die über unsereins kursieren, entspricht leider der Wahrheit. Die Strahlen der Sonne verbrennen uns Vampire zu Asche. Ich bin gezwungen, im dunklen Wagenverschlag dort unten Zuflucht zu suchen, bis es Abend wird.«
    Karoline nickte knapp. »Aber ich kann während des Tages kutschieren – falls Ihre Rappen keine zu starke Hand benötigen.«
    András sah sie erstaunt an. »Das würden Sie tun?«
    »Wenn ich mich schon entschieden habe, mich Ihren Plänen zu fügen, was habe ich

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