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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nie solch seltsame Gefühle.«
    András sah das Mädchen an, das sich ihm fragend zugewandt hatte.
    »Ja, ich erinnere mich düster daran«, antwortete er, und ein feines Lächeln erhellte seine Miene. »Manche nennen es Lebensfreude oder einfach nur Glück.«
    »Seid ihr bereit?« András sah Karoline und Sophie fragend an.
    »Aber ja, wir warten nur auf dich!«, rief Sophie. »Die Kutsche steht unten bereit.«
    »Dass ich mich auch immer verspäte«, erwiderte András tadelnd. Der Spott war nicht zu überhören. »Ich sollte daran arbeiten, die Sonne eher zum Versinken zu bewegen.«
    Sophie strahlte ihn an. »Das wäre etwas! Ich fürchte aber, das liegt nicht einmal in deinen Kräften.«
    András sah zu Karoline hinüber, die sein Lächeln erwiderte. »Nein, das vermute ich auch nicht.«
    »Du hast noch gar nichts gesagt!«, lenkte Sophie seine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
    »Hm, ein neues Kleid?«
    »Ja, ein neues Kleid!«, bestätigte Karoline ein wenig vorwurfsvoll. »Du verwöhnst sie zu sehr. Sie kann dir alles abschwatzen.«
    »Wenigstens nimmt sie das auch in Anspruch und freut sich darüber«, entgegnete András. »Du scheinst gar keine Wünsche zu haben – außer Noten. Bergen an Noten, Papier, Feder und Tinte. Dir muss ich jedes neue Kleid fast mit Gewalt aufdrängen!«
    »Ich brauche keine neuen Kleider«, widersprach Karoline.
    »Doch, die brauchst du! Und suche dir dieses Mal bitte etwas aus, das weniger streng und düster ist. Deine Trauerzeit um deinen verstorbenen Gatten, die wir dir auferlegt haben, dauert nun schon mehr als zwei Jahre an. Da darfst du dir wieder ein wenig Farbe und ein paar modische Accessoires leisten. Bitte sei nicht zu sparsam. Du spielst in den ersten Häusern der Stadt. Die Augen der Hamburger Gesellschaft sind auf dich gerichtet.«
    »Ja natürlich, ich lebe in deinem Haus und möchte dich nicht in Verlegenheit bringen«, sagte Karoline ein wenig steif.
    András zog die Augenbrauen zusammen. »Du weißt, dass dies nicht der Grund ist. Ich möchte einfach, dass es euch gut geht und ihr euch wohl fühlt. Ihr tut mehr für mich als ich für euch. Ihr vertreibt mir die Einsamkeit meiner ewigen Nächte.«
    Sie sahen sich in die Augen, bis das Mädchen sie unterbrach.
    »Du hast noch immer nichts zu meinem Kleid gesagt!«, erinnerte ihn Sophie. »Wie sieht es aus?«
    »Dieses wundervolle Blau steht dir großartig zu Gesicht, die Spitze ist geschmackvoll und nicht zu üppig, und deine Locken sind sehr damenhaft arrangiert«, sagte András, der noch immer Karoline ansah.
    Sophie knickste. »Die Spitze fühlt sich so schön an. Manches Mal wünschte ich mir, ich könnte auch die Farbe sehen.«
    »Sie ist wie der Himmel an diesen warmen Frühlingstagen. So habe ich ihn in Erinnerung«, sagte András leise und nahm Sophies Hände.
    »Aber auch du wirst ihn nie wieder sehen«, ergänzte Sophie. »Ich weiß, es war ein dummer Gedanke.«
    »Nein, dumm war er nicht. Er sollte dich nur nicht traurig stimmen.«
    Sophie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Können wir jetzt gehen? Nicht dass wir zu spät zum Abendessen kommen. Das schickt sich nicht! Und außerdem habe ich Hunger.«
    »Das ist ein überzeugendes Argument, dem ich mich nicht entziehen kann«, feixte András und bot Karoline den Arm. »Darf ich den begnadeten neuen Stern am Hamburger Musikhimmel zum Wagen führen?«
    Karoline schob ihre Hand in seine Armbeuge. »Spotte nicht über mich.«
    »Das ist kein Spott! Ist es nicht das, was die Hamburger Zeitungen nach deinem letzten Auftritt im Hause Voght geschrieben haben?«
    Karoline schlug die Augen nieder. »Ja, ich glaube, solch unsinnige Schwärmereien waren dort gedruckt.«
    »Das war kein Unsinn!«, widersprach Sophie. »Du hast wundervoll gespielt!«
    »Sie nimmt mir die Worte aus dem Mund. Du kannst dem Urteil deiner Tochter vertrauen. Sie neigt nicht zu falschen Schmeicheleien. Und ich auch nicht!«
    Sie waren an diesem Abend in den Landsitz des Kaufmanns und Konsuls Johann Wilhelm Rücker und seiner Frau, einer geborenen Jenisch, geladen, die, wie so viele der reichen Bürger neben ihrem Haus in der Stadt ein Anwesen an der Elbchaussee besaßen. Rücker hatte dieses Kleinod, das lange ein beliebtes Ausflugsziel mit einer gut florierenden Gastwirtschaft gewesen war, dem letzten englischen Courtmaster in Hamburg abgekauft und es dann zu einem dieser wundervollen Landsitze gestaltet, die man sonst nur in England findet.
    Die leichte Kutsche mit den vorgespannten

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