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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Rappen fuhr die geschwungene Auffahrt hinauf und hielt vor dem Portal. András half den beiden Damen aus dem Wagen und führte sie zu dem weit geöffneten Portal, durch das der Schein unzähliger Kerzen auf die kiesige Auffahrt fiel. Die Gastgeber begrüßten sie herzlich.
    »Ah, unser verehrter Herr von Borgo mit seinen Damen. Gnädige Frau, es ist uns eine große Freude, Sie bei uns zu wissen und uns auf Ihre neuen Kompositionen freuen zu dürfen. Viele der Gäste haben bereits nach Ihnen gefragt.«
    Karolines Wangen überzog ein Hauch von Röte, was ihr nicht schlecht zu Gesicht stand. Die Gastgeberin streckte auch Sophie die Hand entgegen und begrüßte das blinde Mädchen ohne die übliche Scheu, die so viele Menschen vor ihr empfanden.
    »Johann, Sie können nun zu Tisch bitten«, wandte sich die Dame des Hauses an ihren Butler, ohne auch nur einen Hauch von Ungeduld, der verraten hätte, dass die letzten Gäste zu spät gekommen wären.
    Später, als die Herren aus dem Rauchsalon zurückkehrten und ihnen zusammen mit den Damen Tee und Kaffee gereicht wurde, rutschte Sophie neben András auf eine elegante Chaiselongue und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Karoline warf ihnen einen mahnenden Blick zu. Sie waren hier nicht zu Hause, und selbst wenn das Kind müde war, durfte sie es nicht auf diese Weise zeigen.
    »Ich werde dich zurückbringen, sobald deine Mutter ihren Auftritt hatte«, versprach András. Sophie unterdrückte ein Gähnen.
    »Nein, ich will erst gehen, wenn ihr auch zurückfahrt. Oder bleibst du dann bei mir daheim?«
    András schüttelte den Kopf. »Nein, du weißt, dass ich einen Teil der Nacht für mich haben muss.«
    »Das ist nicht gerecht«, schmollte Sophie.
    »Nein? Du hast dafür den ganzen Tag für dich«, wandte András ein.
    »Ich habe nicht darum gebeten!«, gab das Kind zurück, und er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    Karoline trat mit zwei Tassen Tee in den Händen zu ihnen und bot eine davon Sophie an.
    »Feiner englischer Tee. Das wird dich wieder munter machen.«
    »Nein, ich will lieber eine heiße Schokolade.«
    »Und ich will, dass du dich benimmst!«, gab Karoline leise zurück. »Es ist nicht üblich, Kinder zu Abendgesellschaften mitzubringen. Du musst dir der Ehre bewusst sein, dass sie für dich eine Ausnahme machen. Also kann ich ja wohl von dir verlangen, dass du dich untadelig benimmst. Ansonsten war das der letzte Abend dieser Art, und ich werde das Mädchen anweisen, dass sie bei dir bleibt, wenn ich mit Peter ausgehe.«
    »Das würdest du nicht wagen!«, fauchte das Kind.
    »Doch, das würde ich! Ich bin deine Mutter, und ich beobachte mit Sorge, wie du immer verzogener wirst.«
    Sie schloss András in ihren scharfen Blick mit ein, und er konnte nicht umhin, den Vorwurf anzunehmen. Ja, vielleicht verwöhnte er Sophie mehr, als ihr guttat.
    »Und nun trink deinen Tee, ehe er kalt wird!«
    Sophie nahm zwar die Tasse entgegen, ihre Miene war nun aber ähnlich eisig wie die ihrer Mutter. András überlegte, ob er sich entfernen sollte, bis sich die Wogen wieder geglättet hatten. Da streiften einige Worte sein Ohr, und die Unterhaltung der Herren am Fenster drüben hatte plötzlich seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Ja, ich weiß es aus einer seriösen Quelle. Ich gehe einmal die Woche mit Kriminalkommissär Weber zum Essen. Er sagt, es ist bereits die dritte Tote innerhalb einer Woche.«
    »Peter, was ist?«, fragte Karoline mit Besorgnis in der Stimme. Sie hatte seine Anspannung bemerkt und richtete nun ebenfalls ihre Aufmerksamkeit auf die Gesprächsrunde am Fenster.
    »Und immer das gleiche Muster?«, fragte der Gastgeber.
    »Ja, allen wurde mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten«, bestätigte Senator Jenisch, der bereits mit vierunddreißig Jahren den Sitz seines verstorbenen Vaters im Hamburger Stadtparlament übernommen hatte. »Der Kommissär geht von einem Täter aus, der in immer kürzeren Abständen zuschlägt.«
    András warf Karoline einen kurzen Blick zu. Sie war totenblass geworden. Sophie dagegen wirkte eher interessiert.
    »Nun, seinem Opfer mit einem Messer die Kehle durchzuschneiden ist bei einem Mordfall nicht so außergewöhnlich«, wandte Charles Godeffroy ein, der vielgereiste Diplomat, der früher in St. Petersburg und später in Berlin die Interessen der Hanseaten vertreten hatte. »Ich würde nicht sofort auf denselben Täter schließen, vor allem, da ich gehört habe, dass sich die Opfer weder in Alter noch im Aussehen

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