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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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einige Augenblicke still.
    Ein anderes Geräusch, dieses Mal im Innern des Hauses, ließ ihn herumfahren. Was war das? Nackte Füße auf Holzboden, dann auf den steinernen Stufen einer Stiege am anderen Ende des Palais. András’ Neugier war geweckt, und er huschte den Gang entlang bis zu der schmalen Treppe, die zum Stall und auf den hinteren Hof hinausführte. Er folgte den Schritten, bis sie verharrten. Als sie ihren Lauf fortsetzten, hatten sie ihren Klang verändert. Sie waren nicht mehr beschwingt und leichtfüßig, eher unbeholfen und auf zu großen Sohlen? Die Pforte, die in den Hof führte, knarrte leise. András wartete einen Atemzug lang, dann huschte er hinterher.
    Er sah sie auf den ersten Blick, wie sie den vom Licht des Mondes schwach erhellten Hof durchquerte. Wie der Schritt ihm bereits verraten hatte, folgte er einem jungen Mädchen. Ihre kleine Gestalt wurde nun allerdings von einem viel zu großen Mantel verhüllt, unter dem sie vermutlich nur ihr Nachtgewand trug. Die Füße steckten in Schuhwerk, das ganz sicher ebenfalls nicht ihr gehörte. András vermutete, dass sie sich die Stiefel voneinem der Stallknechte für ihren nächtlichen Spaziergang geborgt hatte.
    Das Mädchen eilte stolpernd auf den Durchgang zu und öffnete die schmale Hintertür.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, hörte András sie heiser flüstern. »Weißt du, wie spät es ist? Ich habe den ganzen Abend auf ein Zeichen von dir gewartet!« Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    Ein Mann zwängte sich durch den Türspalt und schob das Tor hinter sich zu. Obwohl er im Schatten des Durchgangs stehen blieb, konnte András die Uniform eines k.k. Militärpolizisten ausmachen. Schwarze Stiefel, über die hellblaue Pantalons fielen, darüber der dunkelblaue Rock, weißes Riemenzeug, den schwarzen Tschako auf dem Kopf, den Degen an der Seite.
    »Es ist nicht meine Schuld, und das weißt du auch. Wir werden vermehrt zu Patrouillen eingesetzt, und auch die Torwachen wurden verstärkt. Mein Zugführer würde mir was erzählen, wenn ich mich unerlaubt zu einem Stelldichein davonstehlen würde, also schmoll nicht mit mir. Ich bin hierher geeilt, sobald es mir möglich war.«
    Er trat noch einen Schritt vor und legte die Arme um das junge Mädchen. Es zierte sich ein wenig, ließ sich dann jedoch an seine Brust ziehen und stürmisch küssen.
    András fühlte ein schmerzliches Ziehen, als er die beiden so betrachtete, aber er blieb reglos stehen, unbemerkt von den beiden Liebenden, obwohl er kaum drei Schritte von ihnen entfernt war.
    Endlich ließ der junge Militärpolizist von dem Mädchen ab, das mit den Zähnen zu klappern begann.
    »Geh wieder in dein Bett, du holst dir sonst noch den Tod. Im Frühling wird es wieder anders.«
    Er seufzte, als er an die lange Zeit dachte, die noch verstreichen musste, bis laue Nächte zu verschwiegenen Orten draußen auf dem Glacis oder auf den Basteien einluden.
    »Wann und wo kann ich dich morgen sehen?«, drängte das Mädchen, offensichtlich tief getroffen von Armors Pfeil. »Bist du im Paradeisgartel? Ich könnte hinkommen, wenn die Herrschaften zu ihren Abendgesellschaften aufgebrochen sind.«
    »Auf keinen Fall, Lisbeth!«, wehrte der Mann ab. »Hast du vergessen, was vor ein paar Nächten mit Resi geschehen ist?«
    Das Mädchen erbebte. »Nein, wie könnte ich! Ich habe sie gern gemocht. Wer hätte ahnen können, dass in Wien schon wieder so eine Bestie herumläuft, nachdem der Wurzinger gehenkt wurde. Ich habe es mit eigenen Augen angesehen, wie er draußen bei der Spinnerin am Kreuz sein Leben aushauchte. Er kann es also nicht sein. Ich hoffe, ihr fangt ihn bald und übergebt ihn seiner gerechten Strafe. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, welche Strafe für solch ein Verbrechen gerecht sein könnte. Zu schade, dass Kaiserin Maria Theresia die Folter verboten hat und man die Delinquenten nicht mehr mit glühenden Zangen zwicken darf«, fügte sie rachsüchtig hinzu.
    »Ja, einer, der einem Mädchen so etwas antut, hätte es verdient«, pflichtete ihr Verehrer ihr bei. »Alles war voller Blut, die Kehle wie von einem wilden Tier zerfetzt.«
    »Seid ihr überhaupt sicher, dass ihr nach einem Mörder suchen müsst? Kann es nicht auch ein wilder Hund oder Wolf gewesen sein?«, warf das Mädchen ein.
    »Ein Wolf hier in Wien? Nein, und ein Hund war das auch nicht, sagt der Polizeikommissär Hofbauer, und der hat Erfahrung. Er hat den Fall des Raubmörders

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