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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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kleiner als die hochgewachsene Fürstin.
    Das Schnarchen setzte für einen Moment aus, der Fürst regte sich und warf sich auf die Seite. Seine Bettkappe rutschte ihm von seinem inzwischen von Grau durchzogenen rötlichen Haar. András beugte sich vor und ließ seine langen, scharfen Fangzähne in den ihm so auffordernd dargebotenen Hals gleiten. Wie er vermutet hatte, schmeckte das Blut nach dem Wein und dem Tabakrauch, die der Fürst im Übermaß genossen hatte. Der Vampir zog sich bereits nach einigen Schlucken wieder zurück. Da hatte Wien in dieser Nacht sicher Besseres zu bieten!
    András wandte sich ab und strebte seinem eigentlichen Ziel entgegen. Er verspürte so etwas wie freudige Erregung, als er die Tür zu ihrem Flügel öffnete. Der feine Parfumduft, den er schon am Abend an ihr wahrgenommen hatte, umwehte ihn. Er warf nur kurz einen Blick in ihre Wohnräume. Wie er es sich gedacht hatte, waren diese geschmackvoller eingerichtet, ohne an Pracht einzubüßen. Hier harmonierte die Abstimmung der Farben und Materialien. Die Kostbarkeiten waren so arrangiert, dass sie jede für sich wirken konnten. András glaubte hier das umsichtige Auge der Fürstin zu erkennen, die ganz offensichtlich in den Gemächern ihres Gatten nicht Hand angelegt hatte.
    Dann betrat er das Schlafzimmer. Die Vorhänge waren geschlossen, doch für seine Augen war es hell genug, den Körper zu erkennen, der auf dem Bett lag. Therese hatte die Decke bis zur Taille heruntergeschoben, obwohl es in dem Gemach nicht sehr warm war. So konnte der Eindringling das Seidennachtkleid bewundern, das sich wie in kleinen Wellen um ihren Leib schmiegte. Gerade in seiner Schlichtheit, die bis auf eine Reihe Spitze am tiefen Dekolleté auf Zierrat verzichtete, wirkte es elegant. Eine gute Wahl, dachte András.
    Er beugte sich vor und fuhr mit den Fingerspitzen den Rand des Dekolletés nach. Ihre Haut schien ihm geradezu brennend heiß, obwohl sie nur von gleichmäßig rosiger Farbe war. Natürlich strich seine Hand nicht über das feste Fleisch der Jugend. Mit jedem Jahrzehnt wurde die Haut weicher, schlaffer und schließlich faltiger. Die rosige Farbe ging verloren, grau und fleckig kam sie im Alter daher oder vom übermäßigen Genuss rot verfärbt wie die ihres Gatten. Die Fürstin jedoch, obwohl sie vermutlich bereits die Mitte der Vierziger erreichte, hatte sich einen Körper bewahrt, der gerade in seiner Reife Schönheit ausstrahlte. Es war nicht die unschuldige Frische der jungen Mädchen, es war die sinnliche Harmonie, die ihn daran reizte. Der Vampir hob die Spitze des Nachtkleides ein wenig an. Ihre Brüste waren nicht sehr groß, wie bei einer so groß gewachsenen, schlanken Frau zuerwarten, für dieses Alter jedoch erstaunlich fest, der Bauch flach.
    Der Vampir hielt die Handfläche einige Zoll über dem Seidenstoff und verharrte mit geschlossenen Augen. Ja, wie er es vermutet hatte, aus diesem Schoß war kein Kind geboren worden.
    András wandte sich ihrem Gesicht zu. Ihre Lippen schienen etwas zu versprechen, das nur darauf wartete, geweckt zu werden. András legte seine Hand auf ihre Wange. Der Kratzer, der bereits zu verblassen begann, gab dem Antlitz etwas Verletzliches.
    Die Fürstin zuckte unter der kalten Berührung zusammen und murmelte etwas im Schlaf. Ihre Hände griffen nach dem Daunendeckbett und zogen es zu seinem Bedauern bis ans Kinn. András näherte seine Lippen ihrem entblößten Hals. Er streifte ihn nur leicht, fuhr dann die ausgeprägte Linie bis zu ihrem Kinn entlang und verharrte kurz, die Lippen auf den ihren, so dass er ihren Atem in sich aufnahm. Er war angenehm warm und ein wenig herb. Ja, vielversprechend. Er ahnte den Geschmack ihres Blutes, und doch löste er sich von der Schlafenden und trat wieder einen Schritt zurück. Nein, die Fürstin war nichts für eine kurze Stärkung zwischendurch. Er würde sich die Vorfreude auf einen hohen Genuss bewahren.
    Graf Báthory vollführte eine vollendete Referenz und verbeugte sich tief.
    »Fürstin, wir sehen uns bald wieder, das versichere ich Ihnen. Bis dahin schlafen Sie wohl und geben Sie auf sich acht.«
    Und mit diesen Worten verließ er die Gemächer von Fürstin Therese Josepha Kinsky, geborene Gräfin von Freudenthal.
    Fern von der Straße erklang ein Pfiff. Es waren mehrere Töne, die eine kurze Melodie formten. András lauschte. Die Tonfolge wiederholte sich noch zweimal, während der Pfeifende offensichtlich am Palais entlangschritt. Dann war es wieder für

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