Das Herz der Nacht
irritiert die Stirn, dann huschte ein verstehendes Lächeln über ihr Gesicht. »Wenn Sie mich dann nicht mehr brauchen, dann würde ich mich nun Ihres Reitkleides annehmen. Es hat einigen Schmutz abbekommen!« Vesna war der Vorwurf in Person.
»Das kommt beim Reiten vor, selbst wenn man nicht vom Pferd fällt, und das ist mir schon seit Jahren nicht mehr passiert!«
»Das schon, aber Sie reiten nicht gerade, wie es für eine Fürstin angemessen wäre, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Der Schneematsch ist Ihnen bis zur Schulter gespritzt!«
»Wenn ich vorgehabt hätte, wie eine alte Matrone im Schritt dahinzuzockeln, hätte ich mir nicht einen schneidigen jungen Offizier als Begleiter für den Ausritt besorgt.«
»Das schickt sich nicht«, murmelte Vesna.
»Ja, da hast du recht! Es schickt sich nicht, dass meine Kammerfrau Kritik an mir übt«, gab Therese zurück. Vesna zog beleidigt die Unterlippe hoch.
»Zumindest über die Gesellschaftsfähigkeit meines Begleiters kann kein Zweifel bestehen«, fuhr Therese fort, ohne sich um Vesnas Reaktion zu kümmern. »Der junge Graf Schönfeld wechselt in Kürze von den Reuß-Husaren direkt zur Ordonnanz bei keinem Geringeren als Feldmarschall Graf Radetzky!«
Vesna murmelte etwas Undeutliches. Ihre Aufmerksamkeit galt eindeutig dem von Schneematsch ruinierten Reitkleid.
Therese unterdrückte einen Seufzer, beugte sich vor und besah sich ihr Gesicht aufmerksam im Spiegel.
»Ich hoffe, Frau Pichler spart wie üblich an Wachs. Bei zu vielen Kerzen lässt sich der Kratzer auf meiner Wange wohl nicht völlig verbergen.«
Vesna warf einen kritischen Blick auf ihr Werk. »Wenn Sie nicht daran herumreiben, wird es kein Mensch sehen. Die Leute sollen der Poesie und der Musik lauschen und nicht ihre Wange untersuchen.«
Die Fürstin lachte auf. »Da kennst du die Leute schlecht. Zwar wird kaum jemand von den hoffähigen Familien da sein, aber gerade deshalb werden diejenigen des hohen Adels, die sich unter die Künstler und Bürger des Salons mischen, mit Argusaugen beobachtet.«
»Dann sollen sie beobachten!«, sagte die Kammerfrau, die von ihrem Werk offensichtlich überzeugt war.
»Vesna, sag ehrlich, wie sehe ich aus? Bin ich zur alten Frau geworden?«
Die Kammerfrau starrte sie entsetzt an. Noch mehr als die Worte war es der verletzliche Tonfall, der sie nach Luft schnappen ließ. Und so dauerte es eine Weile, bis sie in ihrem gewohnten, ein wenig schroffen Tonfall antwortete:
»Sie sehen wunderbar aus, Durchlaucht, von gutem Stil und erhaben. Da können die jungen Dinger viel lernen.«
»Aber bin ich noch schön? Oder nur noch alt?«
»Wenn Sie das in dem Spiegel vor sich nicht sehen, dann muss ich fürchten, das erste Anzeichen des Alterns ist das Nachlassen Ihrer Sehkraft!«
Die Bemerkung ihrer Kammerfrau riss Therese aus den trüben Überlegungen. Sie lachte auf, erhob sich und küsste ihre Kammerfrau auf beide Wangen.
»Ich danke dir. Nun bin ich bereit, den Salon zu besuchen – der streng genommen keiner ist, doch jedes Mal einen aufregenden Abend mit Überraschungen verspricht.« Ihr Blick glitt zu der vergoldeten Uhr auf dem Kaminaufsatz. »Graf Báthory wartet nun eine halbe Stunde in der Kälte vor dem Haus. Ich denke, das genügt. Ich sollte nun gehen.«
Vesna antwortete nicht, doch etwas blitzte in ihren Augen, als sie noch einen letzten Blick mir ihrer Herrin wechselte, ehe diese in ihrem neuen Kleid aus blutroter Seide mit schwarzem Spitzenbesatz hinausrauschte.
»Sie sind ja völlig erfroren!«, rief Therese, als András ihr die eisige Hand reichte, um ihr in sein unauffälliges, doch bequemes Stadtcoupé zu helfen. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen ließ sich die Fürstin in die Polster sinken. »Ich hätte Sie nicht so lange warten lassen sollen!«
»Das war doch meine gerechte Strafe dafür, dass ich Ihnen die Zusage erst nach Einbruch der Dunkelheit habe zukommen lassen, obwohl Ihre Karte bereits gegen Mittag bei mir abgegeben wurde, nicht wahr?«
War sie so einfach zu durchschauen? Therese fühlte sich peinlich berührt und war froh, dass es in der Kutsche zu dunkel sein musste, um ihr Gesicht zu erkennen.
Die Räder der Kutsche ratterten über das unebene Pflaster und durch die harsch gefrorenen Schneereste. Die Fahrt dauerte nicht lange. Schon standen die Räder wieder still, und der Schlag wurde geöffnet. Ein Diener im unauffällig braunen Kutschiermantel verbeugte sich, reichte seinem Herrn jedoch nicht die Hand,
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