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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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erkennen. Er streckte den Arm aus, als würde er jemanden rufen. Es war aber niemand zu sehen.
    Ein hektisches Flattern vor dem Fenster. Therese zuckte erschreckt zurück. Was war das? Als das Tier in den Hof hinunterflog, erkannte sie es. Eine Fledermaus. Sie schien einen Kreis um den Grafen zu ziehen. Dann war sie verschwunden.
    »Darf ich Ihnen Ihren Umhang reichen? Mein Kutscher wird jede Minute da sein.«
    Noch einmal fuhr Therese zusammen. Hatte sie ihn nicht gerade noch unten gesehen? Er musste die Treppen heraufgerannt sein, doch sein ruhiger Atem ließ nicht auf derlei schließen.
    »Hatten sie nicht auch einen Mantel?«, fragte Therese, als sie an seinem Arm in die Halle hinunterschritt.
    »Nein, nicht für das kurze Stück. Mir ist nicht kalt.«
    »Aber mir, sie Lügner!«, schimpfte sie mit einem Lachen und schob seinen Arm ein Stück weg.
    »Verzeihen Sie, ich werde das nächste Mal daran denken und einen Pelz mitnehmen«, versprach er ernst.
    »Dann werden Sie mich also wieder begleiten, obwohl ich Sie in dieses Haus der einfachen Bürger und Künstler geschleppt habe?«
    »Aber sicher. Und das nächste Mal werde ich Sie ausführen. Nennen Sie mir den Abend, an dem ich Sie abholen darf.«
    Und wie Graf Báthory gesagt hatte, fuhr sein Coupé in dem Moment vor, als er mit der Fürstin am Arm das Haus verließ. Therese grübelte noch lange darüber nach, wie er das angestellt haben mochte, ihr fiel keine Lösung ein. Noch ein Geheimnis, das diesen seltsam faszinierenden Mann umgab. Sie freute sich unbändig darauf, ihn bereits in zwei Tagen wiederzusehen. Therese spürte, wie sie ihm zu verfallen begann. So etwas hatte sie noch bei keinem Menschen erlebt. Sie ahnte, dass das nicht gut war, doch sie konnte, nein, sie wollte nichts dagegen tun.
    Nach und nach verließen die Gäste das Haus und machten sich auf den Heimweg. Die Wohnräume der Dichterin waren noch immer hell erleuchtet und malten goldene Flecken auf die mit einer frischen Schneeschicht überzogene Straße. Es schneite noch immer. Der Wind war abgeflaut, und nun schwebten die Flocken lautlos herab und landeten sanft auf Hut und Schultern der Gestalt, die reglos in einem der Eingänge gegenüber verharrte, den Blick unverwandt auf das Haus gerichtet, in dem Karoline Pichler wohnte. Die schwarze Kleidung verschmolz völlig mit den Schatten.
    Noch einmal öffnete sich die Haustür, und ein erwartungsvoller Schauder zuckte durch den bisher wie erstarrten Körper. Die Augen weiteten sich. Zwei glühende Punkte in der Finsternis der Nacht.
    »Hu, ist das kalt!«, wehte die helle Stimme einer jüngeren Frau zu dem Schatten herüber. Allein bei dem Klang spannten sich die Muskeln wie zum Sprung.
    »Wir werden einen Fiaker nehmen, sonst holen wir uns den Tod. Bleib hier im Eingang stehen«, bemerkte ein älterer Mann.
    »Sie stehen nicht weit, dort drüben an der Ecke.« Dieser Sprecher war ebenfalls männlich und um einiges jünger.
    »Genau, und deshalb gehst du uns einen holen, während wir hier warten und ich aufpasse, dass Fanny sich nicht den Tod holt«, bestimmte der Ältere.
    Der junge Mann maulte zwar vor sich hin, schlug aber seinen Kragen hoch und eilte mit eingezogenem Genick dem Straßenende zu, wo auch zu dieser Zeit einige Fiaker standen, in der Hoffnung, noch ein paar Kreuzer zu verdienen.
    Die Gestalt, die sich im Eingang verborgen hielt, erwog, ihm zu folgen. Es würde keine Schwierigkeit bedeuten, das Wild einzuholen und zu stellen, ehe es sein Ziel erreicht hätte. Und auch Gegenwehr oder Hilfeschreie waren nicht zu fürchten. Nein, die Macht des Blickes war wie die einer Schlange, die die Maus in Todesangst lähmt, dass sie innehält und wartet, ja sich geradezu darbietet, verschlungen zu werden. Dennoch blieb der Schatten stehen und sah weiter zu den beiden anderen Gästen von Karoline Pichlers Salon hinüber, die frierend unter dem Torbogen standen. Warum nicht hinübergehen und sich diese beiden nehmen? Den Mann erst einmal ruhigstellen und das Blut der Tänzerin genießen. Und dann noch sein Blut hinterher, um die drängende Unruhe wenigstens für ein paar Stunden zu beruhigen.
    Der schattenhafte Beobachter hatte sich gerade entschieden, diesen Plan auszuführen, als die Haustür noch einmal geöffnet wurde und das Hausmädchen der Dichterin den Kopf herausstreckte.
    »Sie sind ja immer noch da! Stimmt irgendetwas nicht? Ich wollte eben den Riegel vorschieben. Da habe ich Ihre Stimmen gehört.«
    »Nein, alles in Ordnung. Wir

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