Das Herz der Nacht
nach Palästina und Ägypten zurückgekehrt ist! Fast ein Jahr war sie unter den Wilden und was es dort sonst noch so gibt. Und sie hat noch nicht genug. Norwegen, Schweden, ja sogar Island will sie auf ihrer nächsten Reise besuchen. Und dann? Was hast du dann vor, meine Liebe? Wien wird dir nach so viel Abenteuer wohl zu langweilig sein.«
»Ich möchte China sehen und Indien und Südamerika. Ich denke, ich werde eine Reise um die ganze Welt wagen.«
Therese betrachtete die ein wenig bieder wirkende Frau mit ihrem einfachen schwarzen Kleid und dem exotischen Kopfputz.
»Ich traue es ihr zu. Ich glaube, diese kleine, energische Frau bringt das fertig.«
András nickte zustimmend. »Ja, ihr Wille ist unbeugsam, und einen einmal gefassten Entschluss wird sie eisern verfolgen. Wir dürfen auf noch mehr Reiseromane gespannt sein.«
Zum Abschluss setzte sich Kathi Fröhlich noch einmal ans Klavier und spielte einige deutsche Tänze. Die Gäste wippten den Dreivierteltakt mit. Mehr ging nicht. Zum Tanzen war es hier einfach zu eng. Als einer der jungen Männer übermütig den Arm um die Taille einer jungen Schauspielerin legte, fuhr ihn Karoline Pichler barsch an. »Das hier ist kein Kaffeehaus, und ich will mich auch morgen noch an meinen Vasen erfreuen!«
Die leichte Weise verwehte, und nun erklangen ganz andere Akkorde. Dramatisch, aufwühlend, die den Puls beschleunigten. Ein herannahendes Gewitter.
Therese sah, wie sich der Graf neben ihr aufrichtete und ein wenig vorbeugte, so als wolle er sichergehen, dass ihm keiner der Töne entging. András starrte auf die Finger, die in rasendem Taumel über die Tasten glitten.
»Das Pianoforte ist ein wundervolles Instrument«, sagte er, nachdem die letzten Töne verklungen waren und Kathi ihren verdienten Beifall mit Anmut entgegennahm.
»In meinem Musiksalon steht ein Bösendorfer Flügel, doch ich vermag es nicht, ihm seine Zauberklänge zu entlocken. Wenn ich die Tasten niederdrücke, klingt es wie ein Wehklagen.«
»Glauben Sie nicht, dass den Fröhlich-Schwestern etwas zugeflogen ist. Sie haben sich ihre Kunst hart erarbeitet. Tonleitern rauf und runter, üben, üben, üben. Ich weiß, ich habe selbst eine Zeit lang Unterricht genommen und dann über mich selbst enttäuscht aufgegeben. Daher hege ich große Hochachtung vor ihrer Disziplin und ihrem Talent.«
»Ob ich Talent für das Klavierspiel besitze, vermag ich nicht zu sagen, Disziplin bin ich durchaus bereit aufzubringen.«
Therese sah ihn überrascht an. »Dann wollen Sie wirklich Unterricht nehmen?«
»Warum nicht? Stellt sich nur die Frage nach dem geeigneten Lehrer. Ob das Fräulein Kathi vielleicht?«
Therese schüttelte vehement den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass sie ein Talent zum Unterrichten hat. Und – bei aller Liebe – sie spielt ganz nett und gehört sicher nicht mehr zu dieser schauderhaften Liga der Laien, die Gäste mit ihren stümperhaften Darbietungen quälen. Aber um das Spiel von Anfang an richtig zu lernen, brauchen Sie einen guten Lehrer. Ich wüsste da einen sehr hoffnungsvollen Pianisten, der neben seinen Auftritten bei Tanzvergnügen im Opernensemble im Theater an der Wien spielt. Er ist noch sehr jung, doch lassen Sie sich nicht täuschen. Er ist sehr gut!«
»Und wo finde ich diesen begnadeten Musiker?«
»Er heißt Wallberg, Carl Eduard Wallberg, und wohnt im großen Michaelerzinshaus. Ich hatte ihn bereits zu einem unserer privaten Konzerte daheim engagiert. Wenn Sie möchten, melde ich Sie an.«
András nickte. »Gern.«
Sie lauschten noch ein wenig dem angeregten Geplauder der Gäste, die anscheinend keine Müdigkeit kannten. Auch András zeigte keine Schwäche. So war es die Fürstin, die als Erste ein Gähnen hinter ihrem Handschuh verbarg, was ihrem aufmerksamen Begleiter allerdings nicht entging.
»Möchten Sie nach Hause? Ich kann sofort die Kutsche rufen.«
Therese winkte ab. »Ach was, das ist zu umständlich. Vorn am Eck stehen Fiaker. Soll Frau Pichlers Mädchen einen heranwinken.«
»Das ist nicht nötig. Bis Sie sich hier verabschiedet haben, steht mein Wagen vor der Tür«, versprach der Graf und war auch schon verschwunden. Therese blinzelte irritiert. Wie wollte er das anstellen? Er hatte seinen Diener doch nach Hause geschickt?
Die Fürstin trat ans Fenster und sah in den Hof hinaus. Er war nur schwach vom Schein, der durch die Scheiben fiel, erhellt, dennoch war sie sicher, in der Gestalt, die mitten im Hof stand, Graf Báthory zu
Weitere Kostenlose Bücher