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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Gestalt abzustreifen und sie gegen die eines beliebigen Tieres einzutauschen. Es bedurfte viel Erfahrung und Stärke und viel Übung, die notwendige Konzentration in jeder Situation aufbringen zu können.
    Ein Hauch von grünlichem Nebel wurde vom Nachtwind weggetragen, und an der Stelle, an der eben noch der bleiche, dunkelhaarige Mann gestanden hatte, befand sich nun ein großer, grauer Wolf, dessen rote Augen die Nacht durchforschen. Dann lief er los. Mit riesigen Sprüngen hetzte er der Stadt entgegen.
     
    8. Kapitel
    Einladung zur Praterfahrt
    Was machst du da?« Karoline blieb in der Tür stehen und betrachtete das Mädchen in seinem schlichten, schwarzen Kleid, das nun schon zum dritten Mal den Flügel umrundete und dabei seine Nase dicht über dem glänzend lackierten Holz entlangstreichen ließ. Dann drückte es sacht ein paar Tasten nieder, ohne dass ein für Karoline hörbarer Ton entstand. Und doch hielt das Mädchen mit leicht schräg gelegtem Kopf inne, als lausche es einer Melodie.
    Wie dünn sie war und klein. Obwohl Karoline der direkte Vergleich fehlte, vermutete sie, dass die meisten Kinder ihres Alters fast einen Kopf größer sein mochten. Sieben Jahre. Herr im Himmel, sieben Jahre schon!
    »Sophie, was machst du da?«, wiederholte Karoline, obwohl sie sehr wohl wusste, dass das Mädchen sie gehört hatte.
    »Ich habe eine seltsame Spur entdeckt, der ich folgen muss«, sagte das Kind ohne aufzusehen.
    Karoline unterdrückte einen Seufzer. »Was für eine Spur?«, erkundigte sie sich, während sie nähertrat.
    »Der Tod!«, sagte das Mädchen durchaus heiter.
    »Sophie, was ist das wieder für ein seltsames Spiel, das du mit mir treibst?«
    Nun wandte sich das Gesicht Karolines Stimme zu. Ein bleiches, ernstes Oval, die dunklen Locken streng zurückgebunden, die Augen weit aufgerissen, ohne etwas zu fixieren. »Das ist kein Spiel. Ich kann den Tod riechen. Er war hier im Zimmer.«
    Karoline spürte, wie ein eisiger Schauder über ihren Rücken rann. »Was redest du nur immer daher! Willst du mich verärgern? Manches Mal denke ich, das allein ist dein Ziel.«
    Sophie hielt den Blick noch immer in die Ferne gerichtet, auf Dinge, die nur sie selbst sehen und die sie mit keinem teilen konnte.
    »Ich will niemanden verärgern. Ich sage nur, wie es ist. Ich kenne den Geruch des Todes. Pater Antonius hat ihn mir gezeigt. Er hat mich zum Sarg eines Aufgebahrten geführt, und ich durfte schon oft mit ihm hinab in die Gruft. Es ist ein seltsamer Ort. Du musst einmal mitkommen. Pater Antonius wird es bestimmt erlauben. Er wandelt sich mit der Zeit, musst du wissen, ich meine der Tod, aber er bleibt unverkennbar.«
    Der Ausdruck des blassen Gesichts blieb unverändert ernst. Wie immer. Ein dünner, blasser Schemen. Karoline konnte sich kaum erinnern, wie es aussah, wenn sie lachte. War das ihre Schuld?
    Wie gern würde sie die Schuld auf andere abwälzen. Ihren Vater, der das Kind vom ersten Tag an abgelehnt hatte. So einfach war das aber nicht. Das schlechte Gewissen, das ihr so vertraut war, wallte wieder in ihr auf. Karoline ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie getraute sich fast nicht, die Frage, die in ihr aufkeimte und sie drängte, zu stellen, zu sehr fürchtete sie die Antwort. Doch sie musste sie wissen.
    »Was meinst du damit? Ist das so eine Art Vorahnung? Darauf, was passieren wird?« Sie zwang sich weiterzusprechen. »Wird jemand aus der Familie sterben? Vater? Ist es so schlecht um ihn bestellt?«
    Das Mädchen strich über die Tasten, die noch immer stumm blieben. »Ich weiß nicht, wie es um Großvater bestellt ist. Ich darf ihn ja im Spital nicht besuchen. Er will es nicht, nicht wahr? Vielleicht würde ihn mein Anblick noch kränker machen. Zumindest glaubt er das.«
    Karoline schnitten die Worte ins Herz. Vielleicht gerade weil so viel Wahrheit in ihnen lag. Doch durfte ein Kind von sieben Jahren so sprechen? Ja, überhaupt so denken? Wo waren die Leichtigkeit und das Lachen, die Kinder dieses Alters ausmachten? War es ihre Schuld, dass diese kleine Person eine solch strenge, ja abweisende Miene zeigte, dass sie sich nicht überwinden konnte, das Mädchen in den Arm zu nehmen und ihm Trost anzubieten?
    »Außerdem habe ich nichts von einer Ahnung gesagt. Ich bin keine Hellseherin oder so etwas«, sagte Sophie mit abfälligem Ton. »Ich sage nur, was ich spüren und riechen kann. Und das ist, dass der Tod hier auf diesem Schemel saß und diese Tasten berührte.« Sie setzte sich auf den

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