Das Herz der Nacht
halten?«, bot er großzügig an.
Therese überlegte. »Gegen ein schönes Paar Lipizzaner für mein Stadtcoupé hätte ich nichts einzuwenden.«
Der Fürst neigte das Haupt. Er wischte sich die Krümel vom Mundwinkel und erhob sich. »Übrigens, heute Abend wirst du mich zu einer Soiree begleiten, zu der Fürst Windisch-Graetz uns geladen hat, um den Besuch seines Bruders General Alfred zu feiern, der gestern aus Prag angekommen ist.«
Therese hob abwehrend die Hände. »Das geht nicht. Du musst allein gehen. Ich habe bereits etwas anderes vor.«
»Dann musst du das andere eben absagen«, beharrte Fürst Kinsky.
»Ich will aber nicht!«, rief Therese empört.
»Ach, und warum nicht?« Sie hörte den Donner grollen und sah die Gewitterwolken aufziehen, doch sie konnte nicht an sich halten.
»Er ist ein Schinder, der keine Gnade kennt. Ein Tyrann, der keinen Augenblick zögern würde, mit brutaler Gewalt selbst gegen seine eigenen Landsleute vorzugehen. Ich kann General Alfred zu Windisch-Graetz nicht ausstehen!«, rief Therese, obwohl das nicht der wahre Grund ihrer Ablehnung war.
Fürst Kinsky griff roh nach dem Handgelenk seiner Frau, dass sie vor Schmerz aufschrie. »Du machst, was ich dir sage! Ich erlaube dir viele Freiheiten, doch wenn ich etwas will, dann hast du dich zu fügen. Du wirst dich also um acht Uhr in einer entsprechenden Garderobe bereithalten und dich den Abend über so benehmen, wie ich es von meiner Gemahlin erwarten kann! Du wirst weder den General noch den Fürsten oder seine Frau brüskieren!
Und merke dir: Der General ist der rechte Mann am rechten Ort. Wenn das Feuer der Jakobiner irgendwo erneut auflodert, dann vermutlich zuerst in Prag oder Budapest. Und dann wird der Kaiser einen solchen Mann brauchen, der das Feuer löscht, sofort, ohne zu zögern und mit allen Mitteln, ehe sich der Brand über ganz Österreich ausbreitet, denn sonst stehen vielleicht bald unsere Schlösser und Palais in Flammen!«
Er ließ sie los und stapfte davon. Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihm ins Schloss. Therese verbarg schluchzend das Gesicht in der unversehrten Hand. Die andere lag schlaff in ihrem Schoß. Ihr Arm pochte vor Schmerz, und es begannen sich rote Flecken auf ihrer weißen Haut abzuzeichnen.
Ein erschrockenes Hüsteln ließ sie herumfahren. »Verzeihung, Durchlaucht, ich dachte, es sei niemand mehr hier. Ich habe geklopft! Soll ich gehen und später wiederkommen?«
Lorenz war ganz der zuvorkommende Butler, der sich dumm stellt. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen! Therese bezweifelte, ob überhaupt etwas in diesem Haus geschah, das dem Butler entging. Vermutlich hatte er sich verpflichtet gefühlt, nach dieser erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Fürsten und seiner Gemahlin zu sehen, wie es um seine Herrin stand.
Therese wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Nein, ist schon gut, du kannst abräumen lassen.« Sie griff nach der Karte, die sie unter die Zeitschrift geschoben hatte, und flüchtete in ihre Gemächer.
Polizeikommissär Hofbauer saß an seinem Schreibtisch und sah auf die Liste herab, die Schobermeier angefertigt hatte. In der einen Spalte waren die Hausbewohner notiert. Hinter jeden Namen hatte er säuberlich das Stockwerk und die Wohnung gesetzt. In der anderen Spalte hatte er die Personen aufgelistet, die sich in dieser Nacht im Haus aufgehalten hatten, nicht aber dort wohnten. Darunter die Angestellten. Viele der Anwohner beschäftigten nur ein Mädchen fürs Grobe. Die in der obersten Etage hatten keine Hilfe für den Haushalt. Nur in den beiden großen Wohnungen in der Belletage gab es mehrere Angestellte.
Hofbauer wusste, dass er sich auf diese Aufstellung verlassen konnte. In solchen Dingen war Schobermeier äußerst korrekt, ja,nahezu pedantisch. Wenn es jedoch um ein wenig Fantasie ging und darum, Schlüsse zu ziehen, konnte man an ihm verzweifeln.
Der Polizeikommissär ließ den Blick über die Liste wandern. In sein Notizbuch hatte er bereits die Aussagen der meisten Bewohner notiert. Sein Blick blieb bei Familie Wallberg hängen. Mit seinem Stift setzte er ein winziges Kreuz an einen der Namen.
Das war interessant, aber war es auch für diesen Fall wichtig? Vermutlich nicht. Dennoch, der Kommissär hatte gelernt, dass es entscheidend sein konnte, auf alles zu achten, was vom Üblichen abwich, und einem vielleicht nicht gleich ins Auge sprang, doch wie ein wenig Sand im Bett unangenehm kratzte.
Er sah noch eine Weile auf die vier
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