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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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weiter.
    »Die ersten Küsse gefielen mir. Leicht und süß schmeckten sie auf meinen Lippen. Es waren so neue, aufregende Gefühle, doch dann änderte sich sein Verhalten. Seine Küsse wurden stürmischer, und ich glaubte, er würde mir das Rückgrat brechen, so sehr umklammerte er mich. Ich bekam plötzlich Angst, und die Küsse wurden mir in ihrer fordernden Art zuwider. Ich versuchte zu protestieren und mich zu befreien, doch es dauerte, wie es schien, eine Ewigkeit, bis er meine Abwehr überhaupt bemerkte. Endlich hörte er auf, mich zu küssen, und lockerte seinen Griff.
    ›Was ist, meine kleine Kokette? Willst du mit mir spielen? Das kannst du haben, Mädchen. Ich werde dich erobern mit allen Raffinessen, die einem Husaren zu eigen sind.‹
    ›Nein, hör auf, ich will das nicht. Bring mich zurück zum Garten der Wirtschaft.‹
    ›Was? Jetzt? Der Spaß hat ja noch nicht einmal angefangen. Später können wir noch ein wenig tanzen, wenn du willst.‹
    Ich flehte ihn an, mich gehen zu lassen, mich nach Hause zu bringen, doch er lachte nur und wollte nicht auf mich hören. Er glaubte nicht, dass es mir ernst damit war, und spottete über meinen gespielten Widerstand. Nannte mich seine liebe Spröde.« Tränen standen Karoline in den Augen, und sie zitterte am ganzen Leib. Sie war nun wieder das junge Mädchen, das zu erahnen begann, dass ihm etwas Schreckliches bevorstand, auch wenn ihm noch nicht klar war, was das genau sein konnte.
    »Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Er drängte mich immer weiter zu den über uns aufragenden Mauern der Bastei mit ihren finsteren Kasematten. Meine Bitten verhallten ungehört, und zu schreien wagte ich nicht. Ich fühlte mich schuldig, mich in meinem Leichtsinn in diese Lage gebracht zu haben. Und irgendwie wollte ich noch immer glauben, dass nichts Schlimmes passieren könnte. Er war doch der nette, hübsche Husar, der mit mir Walzer getanzt hatte!« Sie schwieg und sah zu Boden. Tränen rannen über ihre Wangen und tropften auf den Boden, aber sie wischte sie nicht fort.
    András blieb still. Er machte nicht noch einmal den Fehler, sie mit falschen Vermutungen zu erzürnen und die Geschichte zu unterbrechen, die seit dieser Zeit ihre Seele vergiftete. Niemand wollte sie hören. Niemand ihr glauben. Niemand verzeihen. Er stutzte. Gab es denn etwas zu verzeihen, außer den Leichtsinn, der aus Unwissenheit und jungem Blut geboren worden war?
    Endlich sprach Karoline weiter. Ihre Stimme klang so viel jünger. So viel verletzlicher. András schloss die Augen und sah das Mädchen vor sich, das sie vor acht Jahren gewesen war.
    »Er drängte mich ins Gebüsch und warf mich zu Boden. Noch einmal flehte ich ihn an, mich gehen zu lassen, und versicherte, dass ich das nicht gewollt hatte. Ich glaube, er hat es nicht einmal gehört. Er war nicht mehr der, an dessen Arm ich noch vor wenigen Minuten über das Glacis spaziert war. Nun war er der Mann, der auf dem Schlachtfeld Blut vergoss und tötete. Ich konnte vor meinem geistigen Auge sehen, wie er den Säbel zog, um ihn einem Feind zwischen die Rippen zu stoßen. Ohne Mitleid, ohne Bedauern, ohne den Schrecken der Erinnerung, der einen nachts heimsucht und quält. Ach, es war zu spät, meine Naivität zu bedauern. In sein Gesicht trat eine Leidenschaft von zerstörerischer Hitze, die mich derart erschreckte, dass ich nicht einmal mehr flehen konnte. Vielleicht starb ein Teil von mir in diesen Minuten. Zumindest mein Geist weigerte sich, länger an diesem Ort zu verweilen. Ich schloss die Augen, mein Körper verfiel in eine seltsame Starre. Und dennoch kann ich nicht behaupten, nichts gespürt zu haben oder vor Erinnerungen verschont zu bleiben. Es dauert Jahre, bis sie gnädig zu verblassen beginnen.«
    Sie schwiegen lange Zeit. Endlich hob Karoline den Kopf und sah ihn erstaunt an, so als habe sie seine Anwesenheit vergessen. Er sah, wie sich der Ausdruck wandelte.
    »Nein, halten Sie ein«, rief er beschwörend. »Sie dürfen jetzt nicht bereuen, mir alles erzählt zu haben. Ihr Schrecken ist bei mir gut aufgehoben. Nie soll diese Beichte Sie in Verlegenheit bringen. Sie soll helfen, Ihre Seele endlich zu heilen. Vor Jahren schon hätten Sie einen Menschen gebraucht, dem sie alles sagen können.«
    »Ich habe es versucht, es fiel mir schwer genug, aber Vater wollte nichts davon hören! Er brachte mich zum Schweigen, sobald ich davon anfing, und verbot mir, das Haus zu verlassen.«
    »Ah, Schweigen und Verdrängen, bewährte Mittel,

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