Das Herz der Nacht
Mensch, ein derartiges Spiel mit ihm zu treiben? Nun, sie würden ja sehen, wer von ihnen am Ende der bessere Spieler war!
Der Kriminalbeamte Schobermeier öffnete die Tür und streckte den Kopf ins Zimmer.
»Wissen Sie, wo ich den Kommissär finde?«
Der Polizeidiener hob den Kopf. »Hofbauer?«
»Ja, wen denn sonst«, gab Schobermeier ungeduldig zurück. »Ich brauche ihn dringend. Ich habe hier jemand, von dem wir eine Aussage zu unserer Mordserie aufnehmen müssen.«
Polizeidiener Albrecht machte große Augen. »Sie haben jemanden verhaftet?«
Schobermeier zog ein verdrießliches Gesicht. »Nein«, gab er sichtlich ungern zu. »Es hat sich jemand gemeldet, der uns einen Hinweis geben will, der hoffentlich beweist, dass ich von Anfang an recht gehabt habe! Also, wo ist der Kommissär?«
»Er ist mit Gruber und dem Wundarzt weggefahren.«
»Wohin?«, rief Schobermeier, der nicht mehr stillstehen konnte.
»Er hat eine Nachricht vom Bezirksdirektor vom Revier an der Landstraße bekommen. Der hat von einem Fischer, der auch Totengräber ist, erfahren, dass die Donau schon wieder eine Leiche angeschwemmt hat.«
»Und wo sind sie jetzt?« Schobermeier war nahe daran, die Geduld zu verlieren. Wie konnte jemand, der so einfältig war, bei der Kriminalpolizei angestellt werden? Nun ja, streng genommen arbeitete Albrecht nicht für die Kriminalpolizei, sondern für die Polizeidirektion Widmerviertel, der einer der vier Bereiche der Altstadt zugeteilt war. Die anderen waren Kärntner-, Schotten- und Stubenviertel. »Mach den Mund auf! Wo wollen sie sich die Leiche ansehen?«
»Auf dem Friedhof der Namenlosen«, bekam Schobermeier die Antwort, doch nicht von Polizeidiener Albrecht. Die Stimme seines Vorgesetzten ließ ihn herumfahren.
»Kommissär, Sie sind zurück! Was haben Sie gefunden?«
»Die Leiche der jungen Frau, die im Revier in der Leopoldstadt vor zwei Tagen als vermisst gemeldet wurde, mit durchschnittener Kehle.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fügte dann hinzu: »Und das Mädchen Liliane, das aus dem Michaelerhaus verschwunden ist.«
Schobermeier riss die Augen auf. »Sie lebt noch? Ist sie also doch mit einem Liebhaber ausgerückt?«
Kommissär Hofbauer schüttelte den Kopf. »Nein, auch sie wurde ermordet und in die Donau geworfen. Ihre Leiche wurde bereits vor vielen Nächten angeschwemmt und von unserem Fischer – und Totengräber im Nebenberuf – begraben.«
»Er hat die Tote nicht gemeldet und sie stattdessen einfach vergraben?«, rief Schobermeier empört. »Das wird Folgen für ihn haben!«
»Ja, vermutlich. Die Geschichte, die er mir erzählte, war ein wenig seltsam. Dass ein Mann in der Nacht auftauchte, ihm half ein Grab zu schaufeln und versprach, die Tote zu melden.« Er runzelte die Stirn und dachte noch einige Augenblicke darüber nach, dann schüttelte er heftig den Kopf, als wolle er seine Gedanken klären. Er wandte sich seinem Untergebenen zu.
»Und, was haben Sie für mich? Wie ich höre, haben Sie nach mir gesucht? Es soll einen Verdächtigen geben?«
Schobermeier schüttelte den Kopf. »Nein, nur ein unbescholtener Bürger, der gekommen ist, mit seiner Aussage zu helfen, die Bestie zu fangen. Und nachdem, was er mir bereits gesagt hat, waren wir schon nah dran. Ich habe Ihnen gesagt, wir sollen diesem Baron Báthory aus Ungarn auf den Zahn fühlen!«
»Er ist Graf, und er stammt aus Transsilvanien«, berichtigte der Kommissär Schobermeier, während er ihm in den Verhörraum folgte, wo der Zeuge wartete.
»Nun erzählen Sie dem Kommissär noch einmal, was Sie mir bereits gesagt haben. Über Báthory, den Sie mit dem blutigen Messer beobachtet haben«, forderte Schobermeier den Zeugen auf. Der jedoch sprang von seinem Sitz hoch und starrte den Kommissär erschrocken an.
»Ja, wen haben wir denn da?«, rief Hofbauer aus. »Haben Sie sich als unbescholtenen Bürger bezeichnet, oder ist mein Kollege hier wie so viele vor ihm Ihrem Charme und Ihren Lügen erlegen? Darf ich vorstellen, der König unter den Einbrechern: Jakob Grossler. Eine Institution und ein Phänomen unter den Verbrechern der Stadt, der seine ausgefeilte Methode hat und nur selten eine unbeabsichtigte Spur zurücklässt. Dennoch ist auch der gute Jakob nicht unfehlbar. Er ist wie die meisten in seiner Diebes- und Betrügerbranche anfällig für allerlei Aberglauben.« Hofbauer zog die Stirn kraus. »Wie war das noch einmal? Wenn man etwas von sich am Tatort zurücklässt, dann wird man nicht
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