Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5
und die von Honky Tonk Hannah. Doch Hannah hat andere Pläne. Schau dir das an! Sie will einen Kerl und keinen Heiligen, Otto!«
Ihr Arm wirbelte durch die Luft und lenkte das Fernrohr auf die eigene Insel. Dort stand Hannah unter dem Gipfel und spähte nervös aufs Wasser hinaus. Der Meerespegel war schon fast wieder auf die alte Höhe gesunken.
»Nach wem, glaubst du, Engelchen, sucht sie wohl da? Du bist doch bei mir! He, und wer, glaubst du, tanzt nicht mit den anderen Verrückten in dieser Nussschale von Dreispitz herum? Wer hat begriffen, dass die Welt sich verändert?«
Sie lallte und taumelte und schwenkte das magische Fernrohr um 180 Grad.
»Da, siehst du das Segel? Es gibt da anscheinend noch einen anderen Piraten. Einen, der schon Käpten ist. Er hat schon ein Schiff und ist bereit für den Bund.«
Das Bild im Fernrohr raste jetzt übers Wasser und verharrte schließlich auf dem Schiff. Das dreieckige Segel lag vor dem Wind. Der riesige Einbaum glitt pfeilschnell durchs Wasser und wurde durch den Ausleger ausbalanciert. Die baumlangen Ruder schlugen im Takt. Sie peitschten die Wellen und am Steuer hinter der Crew aus indianischen Kriegern stand niemand anderer als Nat.
»Hattest du wirklich geglaubt, dass er nur ein Waldläufer ist? Ein Dieb aus New York? Der Neffe eines besoffenen Iren? Nein, das ist Nathaniel. Nicht mehr und nicht weniger. Er braucht keinen Beinamen oder anderen Titel. Er ist einfach nur er .«
Sie packte sein Kinn und zog es zu sich.
»Soll ich dir zeigen, wie Hannah sich freut? Bist du bereit für die Wahrheit, Will?«
Sie zwang ihn, sie anzuschauen, und verwandelte sich dabei vor seinen Augen wieder in die alte hässliche Frau.
»Man braucht dich nicht, Will. Du bist schon im ersten Anlauf gescheitert. Also, was ist? Hast du die Größe selbst zu springen oder bist du das Opfer? Soll ich dich stoßen?«
Sie lächelte spöttisch und Will senkte den Blick. Er sah Nat auf dem Einbaum. Er sah, wie Hannah sich freute, als sie Nat entdeckte. Er sah Gagga und Talleyrand in der Halle der Hölle. Er sah die riesigen Schlangen mit ihren hässlichen Helmen. Er fühlte sich hilflos, verloren und klein.
Doch dann sah er Whistle im Dreispitz liegen. Der lag auf dem Bett und lächelte stolz: »Wir brauchen dich, Will«, sagte der alte Pirat. »Den Höllenhund Will, den Sohn des Peste Angelica . Ja, so soll man dich nennen und ich will, dass man sagt, dass ich verfuchst und verteufelt stolz auf dich bin.«
Will sah sein Lächeln und dann, ja dann, sah er das Lächeln von Aweiku. Er schaute in Iho-has meergrüne Augen.
»Jeder hat Angst«, hörte er ihre freundliche Stimme. »Und jeder von uns muss mit dieser Angst leben. Das macht uns stark.«
Da hob er den Kopf. Er suchte den Blick der hässlichen Hexe und versuchte das Zittern in seiner Stimme erst gar nicht mehr vor ihr zu verbergen.
»Du kannst mich nicht täuschen. Ich bin nicht gescheitert. Ich habe dir das gebracht, was am Wertvollsten ist. Ich bin bereit, für meine Freunde zu sterben. Ich kämpfe für unseren gemeinsamen Traum. Ich werde ihr Vertrauen niemals enttäuschen.«
Er schaute sie an und er spürte, wie sich seine Angst in Ruhe verwandelte. Sie füllte ihn aus. Er spürte die Wärme und er sah neugierig zu, wie ihr hämisches Grinsen langsam verschwand und die alte hässliche Hexe sich wieder in die aufregende Frau verwandelte, die sie vorher gewesen war. Er sah ihre schwarzen Augen, die Haut, die indigoblau-metallisch schimmerte, und er sah, wie sie zu lächeln begann. Es war ein schelmisches und spitzbübisches Lächeln.
»Tja, wenn das so ist, dann suche doch jetzt deinen größten Feind. Finde den Teufel, Karl Otto Stupps, und töte ihn, hörst du! Bring ihn um!«
Dann war sie verschwunden und Will hatte nur einen Gedanken. Er dachte an Hannah. An Hannah und Nat.
MITTSOMMERNACHTSTRAUM
ill stürmte durch die Gänge von Rum Bottle Bottom, erreichte das kreisrunde Loch, durch das er ins Innere der Insel eingestiegen war, kletterte außen an der Felswand noch weiter nach oben und fand dort die Stelle, wo er Hannah durch das magische Fernrohr gesehen hatte. Doch Hannah war weg und das Einzige, was sie für Will zurückgelassen hatte, war eine Flaschenpost, die einsam und demonstrativ auf dem Gipfel stand.
Will raste vor Eifersucht: »Ich bin zu spät. Hannah ist weg. Sie ist mit ihm gegangen!« Er schrie vor Wut auf und dann hangelte er sich auch schon zu der Flasche hinauf. Er riss den Korken mit dem
Weitere Kostenlose Bücher