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Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Titel: Das Herz der Savanne - Afrika-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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eintreffen.

Einunddreißigstes Kapitel
    D a es noch einige Stunden dauern würde, bis Rose und Corinne da waren, beschloss Ruth, die Anwältin aufzusuchen, die Horatios Mutter empfohlen hatte.
    Voller Energie und Zuversicht fuhr sie den Dodge in die Innenstadt und zur angegebenen Adresse. Eigentlich wollte sich Ruth nur einen Termin, möglichst für den nächsten Tag, geben lassen, denn ihr war klar, dass ihre Mutter höchstwahrscheinlich wichtige Dinge zu berichten hatte. Überdies wollte sie versuchen, noch heute Nachmittag eine Besuchserlaubnis im Gefängnis zu erwirken. Doch es schien Ruths Glückstag zu sein. Leonore Bekaart war in ihrer Kanzlei und hatte überdies gerade etwas Zeit, weil ein anderer Mandant seinen Termin versäumt hatte.
    »Es ist ungewöhnlich, dass eine weiße Frau mich um Hilfe bittet«, sagte die Anwältin freundlich.
    Ruth hatte seit der Begrüßung noch kein Wort hervorgebracht. Sie musste sich regelrecht zwingen, die Frau nicht mit offenem Mund anzustarren. Leonore Bekaart war nicht nur eine offensichtlich kluge Frau, sondern obendrein von einer Schönheit, die Ruth den Atem verschlug.
    Die Anwältin saß aufrecht auf ihrem Stuhl, das krause Haar streng aus dem toffeefarbenen Gesicht gekämmt. Ihre großen Augen leuchteten unter den fein geschwungenen Brauen wie gut beschirmte Honigkerzen. Die schmale Nase wölbte sich fein über den vollen Lippen, und die zarten Ohren waren mit winzigen Perlen geschmückt.
    Leonore Bekaart lächelte. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Wie? Oh, ja, natürlich. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so angestarrt habe. Meine Tochter, wissen Sie, ist ebenfalls ein Mischling. Bisher habe ich das immer ein wenig als Makel ... nein, nicht als Makel, natürlich nicht, sondern als etwas angesehen, das ihr das Leben nicht gerade leichter macht. Aber jetzt, seit ich Sie gesehen habe, weiß ich genau, dass aus ihr eine wunderschöne und kluge Frau werden wird.«
    Es war nicht Ruths Art, anderen Leuten so unverblümt Komplimente zu machen, und sie schämte sich sogleich deswegen.
    Die Anwältin aber lächelte. »Danke«, sagte sie. »So etwas Schönes habe ich lange nicht mehr gehört. Und ich bin überzeugt davon, dass Sie in Bezug auf Ihre Tochter recht haben.«
    Ruth fühlte sich mit einem Mal nicht mehr wie eine souveräne Farmerin. Ohne ihre Worte vorher groß zu bedenken, sprudelte los: »Ja. Aber Sally kann nur glücklich sein, wenn ihr Vater bei ihr ist. Und das ist er nicht; er sitzt im Gefängnis, und für seinen Anwalt ist er so gut wie verurteilt.«
    Leonore Bekaart nahm einen Schreibblock und einen Federhalter zur Hand. »Sallys Vater ist also ein Schwarzer? Er befindet sich in Swakopmund in Haft? Bitte erzählen Sie mir die ganze Geschichte.«
    Und Ruth erzählte. Sie begann mit dem Tag, an dem sie im letzten Dezember Horatio in Windhoek kennengelernt hatte, und endete mit dem Gespräch, das sie am Vormittag mit Horatios Anwalt geführt hatte. Die Anwältin unterbrach sie nicht ein einziges Mal, sondern nickte nur, fragte hin und wieder nach und schrieb und schrieb. Als Ruth fertig war, schraubte sie ihren Füllhalter zu und sagte schlicht: »Ich glaube, ich koche uns jetzt erst einmal einen Kaffee. Ich würde mich übrigens freuen, wenn Sie mich Leonore nennen könnten. Und ich Sie Ruth.«
    Ruth stimmte sofort freudig zu. Natürlich war es ganz und gar unüblich, ja, manche Weiße würden es für eine Frechheit, für unangemessen, für vermessen halten, von einem Mischling mit dem Vornamen angesprochen zu werden. Aber Ruth war sicher wie lange nicht mehr, dass sie das Richtige tat.
    Leonore kam mit dem Kaffee zurück, setzte sich hinter ihren Schreibtisch. »Im Augenblick«, sagte sie, »können wir wohl wirklich nicht viel tun. Alles oder besser gesagt einiges hängt von Ihrer Schwester und Ihrem Schwager ab. Vielleicht sollte ihnen jemand klarmachen, dass sie eine Straftat begehen, wenn sie nicht die Wahrheit sagen.«
    »Das wird Corinne vermutlich nicht viel ausmachen. Es gibt Dinge, die sind ihr tausendmal wichtiger als die Wahrheit.«
    »Interessant. Und was sind das für Dinge?«
    »Ihr Ruf, ihre Schönheit, Männer.«
    »Das heißt dann ja wohl, dass sie ihr Selbstbild und ihr Selbstvertrauen nicht aus sich bezieht, sondern aus Männern. Das ist schlecht, meine Liebe, ganz schlecht sogar.«
    »Wieso?«
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, verliert sie gerade ihren Ehemann. Wird sie nicht alles tun, um ihn am Ende doch zu

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