Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Gebrüll.«
Corinne hatte ihrer Mutter die Zurechtweisung noch nicht verziehen. Sie wandte sich an Willem. »Glaub ihr nicht. Sie ist eine Lügnerin. War sie schon immer. Was da schreit, ist ein Baby. Ein Mischlingsbaby. Es lag in der Viehhütte, und Ruth in ihrer unendlichen Sucht, uns Schande zu bereiten, hat sich entschlossen, das Balg als ihres großzuziehen.«
Corinne duckte sich, da sie fürchtete, ihr Mann würde aufspringen, die Serviette auf seinen Teller und diesen an die Wand werfen, doch Willem tat nichts dergleichen. »Ihr macht schon komische Sachen hier draußen«, sagte er nur. »Man merkt sofort, dass ihr auf dem Land lebt.« Er kicherte, schüttelte den Kopf, dann deutete er mit der Gabel auf Horatio. »Und, Bruder, hast du noch einmal nachgedacht? Was habt ihr Schwarzen mit dem ganzen Sand in der Wüste gemacht?«
Horatio zuckte mit den Schultern. »Das habe ich dir schon gesagt. Wir haben unsere Hütten und unser Vieh daraufgestellt.«
»Sonst nichts?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich bin ein Stadtmensch wie du. Vielleicht haben die Heiler davon etwas für ihre Medikamente gebraucht.«
»Willem, du fragst merkwürdige Dinge. Was soll das? Wozu willst du wissen, was die Schwarzen mit dem ganzen Sand gemacht haben? Viel nicht, das sieht jeder, denn sonst wäre er ja weg«, mischte sich Corinne ein.
Willem breitete die Arme aus, als hätte er auf dieses Stichwort gewartet. »Meine Lieben, die Zukunft liegt in diesen Händen.«
Rose stöhnte.
Corinne strahlte.
Ruth und Horatio aßen ungerührt weiter.
»Ja, in diesen meinen Händen. Ich bin im Begriff, ein neues Unternehmen zu gründen. Zunächst nur in Swakopmund, später dehne ich meine Firma auf das ganze Land aus, dann kommen die Nachbarn dran: Südafrika, Angola, Simbabwe und Mozambique. Anschließend der ganze Kontinent. Aber«, er reckte den Zeigefinger in die Luft, »mein Hauptaugenmerk wird von Anfang an auf Europa liegen. Willem van Leuwen International. Na, wir klingt das?«
»Größer als du«, sagte Rose.
»Fantastisch, Liebster«, hauchte Corinne.
»Auch das noch«, sagte Ruth, und Horatio fragte: »Und was für ein Produkt willst du verkaufen?«
Willem lehnte sich zurück, tupfte sich umständlich mit der Serviette den Mund ab. »Das ist ja das Geniale«, entschloss er sich endlich zu einer Antwort. »Ich werde Wüstensand verkaufen.«
»Was?«, fragte Rose.
»Wie denn das?«, wollte Corinne wissen.
»Ich räume schon einmal den Tisch ab«, erklärte Ruth, stand auf, stellte die Teller zusammen und trug sie hinaus.
»Er ist jetzt völlig verrückt geworden«, erklärte sie Mama Elo, die in der Küche gerade Stutenmilch für das Baby in einem Topf erwärmte. »Er will die Wüste nach Europa verkaufen.« Sie schüttelte den Kopf, nahm der Schwarzen das frische Fläschchen ab, holte Sally aus dem Körbchen und gab ihr die Flasche. Sobald das Kind in ihrem Arm lag, hatte Ruth alles um sich herum vergessen. Sie sah in die großen dunklen Augen, betrachtete die strichzarten Brauen, die winzigen Nasenflügel, das herzförmige Mündchen, das an der Flasche saugte, als hinge sein Leben davon ab. »Langsam, Liebling. Ganz langsam. Niemand nimmt dir etwas weg.«
Mama Elo war ins Esszimmer gegangen und kehrte nun mit einem weiteren Teil des Geschirrs zurück.
»Ist da drinnen der Teufel los? Stampft Mama mit dem Fuß auf? Rauft sich Corinne die Haare?«, wollte Ruth wissen.
»Keineswegs. Sie schweigen. Nur Willem grinst sich eins.«
Ruth schüttelte den Kopf. »Die Wüste verkaufen! Wie kommt man eigentlich auf solch bescheuerte Ideen? Demnächst will womöglich noch einer eine Oper in die Savanne bauen, nur weil das in Europa gerade Mode ist.«
Aus dem Salon war plötzlich doch Lärm zu hören.
»Ist wohl besser, du gehst wieder rüber«, meinte Mama Elo und nahm Ruth die Kleine ab.
Ruth seufzte, weil sie sich nur schwer losreißen konnte. Dann aber küsste sie Sally auf die Stirn und ging, nicht ohne von der Tür aus noch einen sehnsüchtigen Blick auf das kleine Mädchen zu werfen.
»Straßenbau. Man braucht Sand für den Straßenbau. Auch für den Bau von Häusern. Beton wird zum Teil aus Sand gemacht. Und Zement. Das weiß ich, das habe ich in Südafrika so gesehen. Und während ihr wie die Hinterwäldler auf euren Schotterpads durch die Gegend kurvt, wird in Europa containerschiffweise Sand gebraucht. Die hatten dort Krieg, alles ist zerbombt.«
»Der Krieg ist seit fünfzehn Jahren vorbei. Und wie ich höre, sind in
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