Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
an seiner Zigarette, »braucht Zeit und Geduld. Beides muss man aufbringen, wenn man eine Käserei betreiben will. Ich habe Geduld. Und Sie?«
Ruth schnappte nach Luft, doch Horatio packte ihre Hand fester, ehe er sagte: »Sie haben recht. Es gibt sogar ein Sprichwort: ›Gut Ding will Weile haben.‹ Vielleicht wären Sie so freundlich, uns jetzt das Ding, das Weile haben will, zu zeigen?«
Outwater musterte Horatio von oben bis unten. »Was der Verwalter wünscht, soll der Verwalter bekommen.«
»Auch ein Sprichwort?«, fragte Horatio.
Der Käser drückte seine Zigarette aus. »Noch nicht. Eher so etwas wie ein persönliches Credo.«
»Das klingt wie eine Drohung«, erwiderte Horatio und schob mit dem rechten Zeigefinger seine Brille nach oben. Er musterte Outwater von oben bis unten, betrachtete die breiten Schultern, die Muskelpakete, die sich an den Oberarmen durch den Kittel drückten. Der neue Käser strotzte vor Kraft und saß breitbeinig da, die Füße fest in den Boden gestemmt. Und dann sah Horatio sich selbst, seine lang aufgeschossene Magerkeit, seine Arme und Beine, die wie bei einer Marionette um seinen Körper schlotterten, das krause Haar, die schwarze Haut, die ohne Brille halbblinden Augen. Er räusperte sich verlegen.
Da lachte der Käser plötzlich auf, breitete voller Unschuld die Arme aus. »Wie kommt es nur, dass manche Menschen die Erfüllung ihrer Wünsche als Drohung empfinden?«
»Was wünsche ich denn Ihrer Meinung nach?«, fragte Horatio, bemüht, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
»Nicht mehr als andere Kerle auch. Achtung, Respekt, ein bisschen Macht, ein Quäntchen Erfolg und hin und wieder einmal das Gefühl, der Größte zu sein.« Outwater stand auf und sah Horatio von der Seite an, als warte er darauf, dass der Verwalter in die Luft ging.
Horatio aber lachte erleichtert auf, warf sogar den Kopf zurück. »Männer sind schlichte Wesen, nicht wahr, Holländer?«
Outwater schüttelte den Kopf und stieß, ohne Horatio noch eines Blickes oder gar einer Antwort zu würdigen, die Tür zur Käserei auf.
Drinnen herrschte blitzende Sauberkeit. Die Käsewanne, eine Neuanschaffung, strahlte. Der Tauchkühler, der Butterfertiger und die Milchzentrifuge standen ordentlich an ihrem Platz. Die Käseharfen und Rahmkellen hingen stramm wie Soldaten an der Wand. Die gelochten Käseformen und die Formen für die Weichkäse befanden sich auf einem Wandregal.
»Oh«, sagte Ruth. »Hier ist es ja so reinlich wie in einem Operationssaal. Haben Sie die Dinge hier je benutzt?« Das war ein Seitenhieb, doch Ruth schaute dabei so unschuldig wie ein Osterlamm drein.
Der Käser lachte, deutete mit dem Finger auf seine Chefin. »Sie sind witzig, wussten Sie das?«
»Nein«, erwiderte Ruth. »Sie sind wahrhaftig der Erste, dem das aufgefallen ist.«
Das Lachen des Käsers verklang. »Seien Sie nicht böse«, bat er. »Sie wissen selbst, dass in der Landwirtschaft die Sitten rauer sind als die Hände im Winter.«
»Für die Hände gibt es Fett. Brauchen Sie ein wenig Butter, um ihre Worte weicher klingen zu lassen?«
»Ruth, bitte.« Horatio hatte geflüstert, doch Outwater hatte seine Worte sehr wohl verstanden.
»Sind Sie gekommen, um meine Arbeit zu begutachten?«, fragte er.
»In einigen Tagen fahre ich nach Swakopmund. Ich würde gern einige Kostproben Ihrer Arbeit mitnehmen«, erklärte Horatio.
Outwater wiegte den Kopf hin und her. »Käse muss reifen. Der Hartkäse braucht noch ein paar Monate. Auch der Weichkäse ist noch nicht so weit. Ich könnte Ihnen aber Frischkäse, Quark, Sahne und Butter mitgeben.«
Horatio nickte. »Ich hätte gern von allem etwas, auch vom Hartkäse. Es macht nichts, dass die Hart- und Weichkäse noch reifen müssen. Das können sie in Swakopmund ebenso gut wie hier.«
Outwater verzog die Mundwinkel. »Niemand gibt gern unfertige Produkte aus dem Haus. Wissen Sie, ob es im Hotel einen Reifekeller für die Käse gibt? Und wie wollen Sie sie die Fahrt über konstant bei zwölf Grad halten?«
»Ich verstehe Ihre Bedenken«, erwiderte Horatio. »Aber in diesem Fall muss es sein. Bitte sorgen Sie einfach dafür, dass die Käse unbeschadet ins Hotel gelangen.«
Ruth spürte die Spannung zwischen den beiden Männern wie einen leise ziehenden körperlichen Schmerz. Sie drängte sich vor Horatio, setzte ein Lächeln auf. »Wie machen Sie die Butter?«, fragte sie Outwater. »Bisher haben Mama Elo und Mama Isa gebuttert und, wenn es ganz dicke kam, auch
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