Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
verstehen. Sie haben Angst vor Sergeant Lang. Sie wissen, dass sie am Ende für Amas Tod verantwortlich gemacht werden. Und sie wissen auch, dass sie keine Schuld daran haben, weil eben ein Weißer die Tochter von Santo und Thala vergewaltigt hat. Sie wollen sich wehren, sie müssen sich wehren.«
Ruth hielt den Atem an. »Planen sie einen Aufstand?«, fragte sie.
Horatio schüttelte den Kopf. »Die schwarzen Stämme haben sich nicht miteinander verbündet. Noch immer begegnen die Nama den Hereros mit Misstrauen. Das ist der große Vorteil der Apartheid. Deshalb können sie mit uns machen, was sie wollen. Würden wir uns verbünden und gemeinsame Sache machen, wäre das Regime nicht so mächtig.«
Ruth machte sich los. »Horatio, woher weißt du das? Wieso kennst du Fox Odendaal?«
Horatio verstand nicht. »Ich bin schwarz. Ich muss doch wissen, was mit mir und meinen Leuten geschieht.«
»Ist das so?«, fragte Ruth, und ihre Augen verdunkelten sich schmerzlich.
»Ja, das ist so«, erwiderte Horatio. »Kannst du das nicht verstehen?«
Ruth sah ihn an, und Horatio erkannte in ihrem Blick neben dem Schmerz Angst und Verzweiflung.
»Weil du nicht mehr nur Nama bist, Horatio. Das dachte ich zumindest. Du hast Familie. Eine Frau und ein Kind. Auch wenn wir nicht verheiratet sind und Sally nicht von dir ist. Du bist ebenso ein Baster und ein Weißer.« Sie schluckte. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Horatio hielt sie an den Ellenbogen, wollte sie an sich ziehen, sie trösten, doch er wusste, dass sie recht hatte.
»Du hast mir versprochen, dass du dich nicht mehr um die Politik kümmerst.« Ruth sprach leise und resigniert. »Du hast mir damals, als du hier eingezogen bist, in die Hand versprochen, dass du keine Verbindungen mehr zur SWAPO unterhältst, dass du den politischen Kampf aufgibst. Und nun?« Sie sah ihn an, und Horatio schmerzte dieser Blick.
»Ruth. Ich arbeite nicht mehr für die SWAPO. Aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich mein Volk, meine Herkunft, vergesse und wie ein Weißer werde. Das geht nicht, Ruth. Niemals. Immer wenn ich vor dem Spiegel stehe, sehe ich doch, dass ich schwarz bin. Immer wenn ich deine Mutter sehe, höre ich, dass ich schwarz bin. Und immer wenn mir Corinne, Willem oder der Käser über den Weg laufen, erfahre ich, dass ich schwarz bin. Ruth, ich will dir nicht wehtun. Niemals würde ich das wollen, aber ich bin nun einmal schwarz, und das Leben in diesem Land ist nicht so, dass ich das vergessen könnte.«
Ruth machte sich los. Sie streifte seine Hände von ihren Ellbogen, als wären es lästige Fliegen. »Schade«, sagte sie nur. »Schade.« Dann drehte sie sich um und ging davon.
»Was sagst du da?« Rose Salden sah ihre Tochter missbilligend an. Corinne trug das Haar lässig zusammengesteckt, ihre Augen blitzten, ihre Lippen waren rot und aufgesprungen. Rose wusste, was das bedeutete.
»Ich sage, dass unser lieber Verwalter sich mit den Schwarzen zusammentut.«
»Na und?« Rose lies den Stift sinken und lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück. »Warum
sollte er das nicht tun? Immerhin ist er auch schwarz. Was genau meinst du mit ›zusammentun‹?«
»Sergeant Lang war hier. Er hat Horatio nach seinem Alibi für die letzte Nacht befragt. Und ich sage
dir jetzt, dass ich weiß, dass Horatio in der letzten Nacht nicht in Ruths Bett war.«
Rose lächelte fein und seufzte. »Daraus schließe ich, dass auch du nicht in deinem Bett warst. Wo warst du?«
»Mutter, darum geht es jetzt nicht! Es geht um Horatio. Die Waffen sind weg. Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass Horatio sie hat? Am Ende versorgt er damit die anderen Schwarzen. Und dann? Wir sind vielleicht in Gefahr, Mutter.«
»Unfug.« Rose Salden schüttelte den Kopf. »Die Nama arbeiten seit Jahrzehnten auf Salden’s Hill. Wir sind immer gut mit ihnen ausgekommen, haben sie immer gut behandelt. Sie respektieren uns.«
»Kann sein, dass es früher einmal so war. Jetzt aber ist Ama tot und Santo verschwunden. Ich glaube nicht, dass wir noch ihre Freunde sind.«
Rose betrachtete ihre Tochter genauer. Sie sah die feinen Linien der Gehässigkeit, die sich von der Nase bis zu den Mundwinkeln zogen. Sie sah die blitzenden Augen, erblickte auch die tiefen Linien auf der Stirn, die von unterdrückter Wut erzählten. »Was willst du wirklich, Corinne?«
»Ich will, dass unserer Farm nichts passiert. Was denn sonst? Ich wollte immer dasselbe wie du. Wir waren uns doch einig, dass der Schwarze
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