Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Horatio legte ihr eine Hand auf den Arm. »Bitte, hole dem Sergeanten, was er möchte.«
Widerstrebend stand Ruth auf und ging ins Haus.
»Hören Sie, Sergeant«, sagte Horatio. »Ich weiß, was Sie vorhaben. Ihnen passt es so wenig wie den anderen Weißen in der Gegend, dass ich hier Verwalter bin. Einem Schwarzen steht so ein Posten nicht zu. Denken Sie, was Sie wollen, das ist mir gleichgültig. Aber lassen Sie Ruth aus dem Spiel.«
Lang nickte. »Gut, mein schwarzer Bruder. Ich schlage einen Deal vor. Du erzählst mir, was du über die Versammlung gestern weißt, erzählst mir, was ihr schwarzen Brüder hier plant, erzählst mir überdies, wo Santo steckt und wer sein schwarzes Mädchen geschwängert hat, dann geschieht Salden’s Hill nichts. Ich gebe dir exakt achtundvierzig Stunden Zeit dafür. Hast du mir dann nichts zu berichten, so stecke ich den Mischlingsbastard ins Waisenheim.« Er zog an der Zigarette. »Und du kannst dann der kleinen Frau erklären, wo das Balg geblieben ist.«
Achtzehntes Kapitel
W o warst du? Um Gottes willen, sag mir endlich, wo du in der Nacht gewesen bist!«
In Ruths Augen stand ein so flehentlicher Ausdruck, dass Horatio den Blick abwenden musste.
»Hat Lang recht? Gab es hier wirklich eine Versammlung der Nama?«
Horatio seufzte und nickte. »Ja, die gab es. Und ich war dort. Ich wollte wissen, was da los ist. Auch, weil ich noch nie im Leben an den schwarzen Ritualen teilgenommen habe. Der Schamane hat gerufen, und für einen jeden Nama ist es Pflicht zu kommen, wenn die Rauchsäule aufsteigt. Deshalb war ich nicht da in der Nacht.«
Ruth zog die Augenbrauen hoch. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Du warst so aufgebracht über Corinne und den neuen Käser, dass ich dich nicht noch mehr beunruhigen wollte. Du hättest wahrscheinlich mit mir gehen wollen. Aber dann wäre Sally allein gewesen, und außerdem bist du keine Nama.«
Ruth biss sich auf die Unterlippe. Horatio hatte sie noch nie belogen. Und seine Besorgnis um Sally war manchmal sogar größer als ihre. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich ausgeschlossen, weil sie eine Weiße war. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass es Bereiche gab, die für sie ebenso tabu waren wie so viele Bereiche weißen Lebens für die Schwarzen. »Und was war so wichtig, dass der Schamane euch alle gerufen hat?«
Horatio seufzte. »Kannst du dir das nicht denken? Es ging um Thala und um Santo und natürlich um Ama.«
»Deshalb ruft der Schamane? Passiert das nicht ständig, dass Namamädchen Mischlingskinder zur Welt bringen? Es gibt in unserem Land eine ganze Stadt, die aus Mischlingen, aus Bastern, besteht: Rehoboth. Fast zwanzigtausend Mischlinge leben dort. Und weißt du auch, warum? Weil sie nirgends sonst leben können. Nicht mit den Weißen und nicht mit den Schwarzen.«
»Ja, das weiß ich. Natürlich weiß ich das.« Horatios Stimme war ein wenig lauter geworden. »Und weißt du denn, warum sie niemand haben will, warum sie Mischlinge sind? Weil schon die ersten Weißen, die hierhergekommen sind, sich an den Namafrauen vergriffen haben. Die Baster sind das Produkt davon. Unsere Sally und jedes Kind, das wir vielleicht einmal bekommen, wird ein Baster sein. Hast du schon jemals von Fox Odendaal gehört?«
»Nein, du weißt, dass ich mich nicht für Politik interessiere«, erwiderte Ruth.
»Dann gewöhn dich langsam an den Gedanken, dass es bereits eine politische Aussage ist, einen Schwarzen zu lieben. Fox Odendaal arbeitet für die südafrikanische Regierung an einem bisher geheimen Projekt. Dieses Projekt sieht vor, die einzelnen Eingeborenenstämme in Homelands anzusiedeln. Verstehst du? Wir sprechen hier von Schwarzenghettos. Ghettos wie bei den Nazis. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Apartheidregierung die Einrichtung dieser Homelands befiehlt. Wenn es dir früher gleichgültig war, so muss es dich jetzt interessieren, Ruth. Du bist nun die Mutter eines Basters und die Frau eines Nama. Möchtest du in einem Homeland leben?«
Ruth schluckte. »Darum ging es, als der Schamane euch gerufen hat?« Ihre Stimme klang ängstlich.
Horatio sah, dass sie blass geworden war. Auf der Stelle verflog sein Ärger. »Komm her, Liebes.« Er zog sie in seine Arme. »Nein, es ging nicht um die Homelands. Noch nicht. Es ging um Thala und Santo. Es ging am Rande auch um den Aufstand vom letzten Jahr in Windhoek, als die Schwarzen umgesiedelt wurden. Die Eingeborenen haben Angst. Das musst du
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