Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Tod, Geburt und Sterben. Ich suche nach Dingen, die wirklich etwas bedeuten.«
»Un dessshalb Af ... hick ... Afrika?«
»Ja, deshalb Afrika.«
»Und meine Schwester als groooße Liebe?« Wieder kicherte Ruth und schüttelte den Kopf.
»Corinne? Nein, sie ist nicht meine große Liebe. Sie ist gar keine Liebe. Einsam ist sie, das ist alles. Ein Mensch, der keinen Platz hat im Leben. Ein Mensch, der zu niemandem gehört. Nicht einmal zu sich selbst. Was ist schon dabei, wenn zwei, die einsam sind, sich gegenseitig trösten? Los, Ruth, sagen Sie schon! Was ist dabei? Ist nicht jedes Mittel recht, um sich weniger einsam zu fühlen?«
Plötzlich war Ruths Trunkenheit wie weggewischt. Ja, auch sie würde alles tun, um die Einsamkeit nicht mit jeder Faser zu spüren. Es gab keine Einsamkeit, die so tief und schmerzlich war wie die, die der Zweisamkeit folgte.
Sie nickte und starrte in das leere Glas, das sie noch immer in den Händen hielt. »Ich weiß, was Einsamkeit heißt«, murmelte sie. »O mein Gott, ich weiß es wirklich.« Und dann weinte sie. Erst still, dann heftiger. Die Tränen strömten über ihr Gesicht wie ein Gebirgsbach nach der Schneeschmelze. All ihre Ängste, Sorgen, ihre Wut verwandelten sich in Wasser. Sie hockte auf den Stufen der Veranda, geschüttelt vom Leid, schniefend vor Kummer, mit zitternden Lippen und bebender Brust.
Sie spürte kaum, dass Robert Outwater den Arm um sie legte, sie an sich zog und ihr sanft über das Haar strich. Sie ging willenlos mit, als er sie von den Stufen zog und behutsam zur Käserei führte.
»Kommen Sie hier weg, Ruth. Ihre Mutter hat Geburtstag. Das ist nicht der richtige Ort für Sie, heute nicht der rechte Ort für Traurigkeit. Kommen Sie, weinen Sie sich aus, ich werde bei Ihnen bleiben.«
Er stieß die Tür zur Käserei mit dem Fuß auf, zog Ruth in die kleine Kammer, drückte sie auf die Liege, setzte sich neben sie, strich ihr die Tränen von den Wangen und die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Mit sanftem Druck zog er sie an sich und küsste sie. Zuerst behutsam und zärtlich, als wolle er ihre Tränen kosten, dann heftiger. Und Ruth ließ sich küssen, öffnete dann den Mund und erwiderte seine Küsse mit einer Wildheit, die ihr selbst fremd war.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
D ie Woche nach Horatios Verhaftung schleppte sich dahin, als wäre sie mit Eisenkugeln beschwert.
Ruth sprach nicht mehr. Sie nickte nur noch oder schüttelte den Kopf. Sie stand morgens auf, versorgte Sally, ging ihrer Arbeit nach. Drei Tage scherte sie Mutterschafe aus, ohne mit den anderen Arbeitern zu sprechen. Sie schuftete am Scherplatz, sah nur auf, wenn der Schweiß ihr in die Augen lief und die Sicht nahm. Ihre Anweisungen gab sie als Handzeichen. Bei Unmut kräuselten sich ihre Lippen.
Die schwarzen Farmarbeiter, die längst gehört hatten, dass Horatio verhaftet worden war, achteten auf jedes Zeichen ihres Bass und versuchten, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen.
Ruth mied nach der Arbeit ihren Lieblingsplatz auf der Veranda. Das Essen nahm sie nicht mit den anderen ein, sondern trug es in ihr Zimmer, sah aus dem Fenster, während sie es verspeiste.
Manchmal schaute Mama Elo nach ihr. Schweigend stand die alte Frau da, seufzte und strich Ruth über das Haar. Nicht einmal Sally gelang es, ihre Mutter aufzuheitern. Ruth wiegte die Kleine, Ruth fütterte sie, wusch sie, legte sie zu Bett, aber sie tat all das wortlos. Mama Elo stand daneben, sprach mit dem Kind, sang ihm sogar leise etwas vor, aber sie erreichte Ruth damit nicht.
Rose sorgte sich von Tag zu Tag mehr. Nicht nur um Ruth. Sie konnte verstehen, dass ihr im Augenblick die Worte fehlten. Ihre Tochter brauchte Zeit, und Rose war entschlossen, ihr diese Zeit zu geben, falls diese nicht länger als bis zum Wochenende dauerte.
Sorgen machte sich Rose auch um Willem. Er war zu ihrem Geburtstag gekommen und machte jetzt, drei Tage später, noch immer keine Anstalten, zurück nach Swakopmund zu fahren. Den halben Tag stolzierte er über die Farm, ließ ab und an seine Hosenträger schnipsen und trank ein Glas Whiskey nach dem anderen. »Solange ihr keinen Verwalter hier habt, werde ich diese Aufgabe übernehmen«, hatte er verkündet und Einsicht in die Papiere verlangt.
Ruth hatte nicht einmal aufgesehen. Sie befand sich noch immer in diesem seltsamen Zustand der Starre, der mit der Nachricht von Horatios Verhaftung eingesetzt hatte. Alles um sie herum war ihr gleichgültig. Wofür sollte sie sich noch
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