Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
und gut sitzendem Anzug, mit Maßschuhen und schmaler, modischer Krawatte. Jung noch, aber sicher schon mit einer blonden Frau verheiratet, die ihm abends das Essen servierte und von ihrem Tag mit den beiden blonden Kindern erzählte, die eine schwarze Frau erzog, während sich die Lady die Fingernägel feilte. Er hatte so satt und rechtschaffen gewirkt, war so durchdrungen gewesen vom Bewusstsein seiner selbst, dass Horatio hätte kotzen können. Und dann die Anklageschrift. Lächerlich! Unfassbar! Unmöglich! Unbegreiflich! Er sollte die Waffen gestohlen und die Zuchtstiere erschossen haben. Wie denn, Herrgott! Er war ja noch nicht einmal auf Salden’s Hill gewesen, als der Schrank aufgebrochen worden war. Aber das konnte, das durfte er nicht beweisen. Denn an diesem Abend und in dieser Nacht war er in Windhoek gewesen, bei seinen Eltern und den Genossen von der SWAPO. Er hatte kein Alibi, war in Swakopmund losgefahren und irgendwann auf der Farm angekommen, und dazwischen fehlten ihm zwölf Stunden. Warum hätte er die Zuchtstiere überhaupt erschießen sollen? Was für ein Motiv hätte er gehabt?
Sein Anwalt hatte gesagt, er hätte sich als schwarzer Verwalter profilieren wollen, auf Kosten der Nachbarfarmer. Vielleicht habe er die Tiere auch aus Rache erschossen. Dafür, dass die anderen ihn nicht gegrüßt hatten.
Schwachsinn! Unfug! Blödsinn! Rinder waren den Nama heilig. Niemals hätte er ein Vieh erschossen. Noch nicht einmal, um es von einem unerträglichen Leiden zu befreien. Wer tötet schon, was ihm heilig ist?
Der Anwalt hatte nicht zugehört, als Horatio ihm das erklärt hatte. »Ja, ja, wir alle machen mal Fehler«, hatte er gleichgültig gemurmelt. Mehr nicht.
Und dann Corinne. Corinne, die wusste, dass er wusste, dass sie mit dem Käser geschlafen hatte. Hatte sie ihn in eine Falle gelockt, damit er das Geheimnis nicht verriet? Wollte sie ihn loswerden?
Horatio seufzte. Am meisten aber litt er wegen Ruth. Sie schwieg. Sie schrieb ihm nicht, hatte auf keinen einzigen seiner Briefe geantwortet. Oh, er war vorsichtig gewesen. Nur den ersten hatte er dem Anwalt mitgegeben. Den zweiten sollte ein Wärter für ihn einstecken. Geld, viel Geld, hatte der dafür haben wollen. Den dritten hatte er über die Frau eines Mitgefangenen auf die Reise geschickt. Aber auch auf ihn hatte er keine Antwort bekommen.
Horatio hätte verstehen können, wenn Ruth sich von ihm getrennt hätte. Ihre Enttäuschung, ihre Wut, alles hätte er ertragen und verstehen können. Nicht aber ihr Schweigen. Nicht dieses scheinbare Vergessen. Als ob er nie existiert hätte. Das Leben war jetzt sicherlich leichter für sie, da sich kein Schwarzer mehr zwischen sie und die Sonne stellte. Aber ohne ein Wort! Ohne ein einziges Wort!
Er griff nach der Blechschüssel und dem Löffel, der halb in sie hineingerutscht war. Schwarze Bohnen, einfach in Wasser gekocht, ohne Salz, ohne alles. Er stopfte sie in sich hinein und hätte ebenso gut Sägespäne verschlingen können. Nach dem dritten Bissen musste er würgen. Die Bohnen verstopften ihm die Kehle. Er hätte gern Wasser gehabt, um nachzuspülen, aber Wasser gab es erst, wenn die Blechschüssel leer war.
Wieder würgte er. Tränen traten ihm in die Augen. Er wischte sie mit der Faust weg, packte den Löffel fester und schob sich so viele Bohnen in den Mund, wie er nur konnte. Er aß nicht, er fraß, stopfte, schlang so schnell, dass er nichts schmeckte. Als die Schüssel leer war, war er durchgeschwitzt, sein Hemd schon wieder schweißnass und er so erschöpft, als hätte er den ganzen Tag lang Schafe geschoren oder die mageren Weiden gedüngt.
Er ließ sich auf das harte Bettbrett fallen und weinte. Er weinte nicht wie ein Mann, sondern wie ein Kind, das verzweifelt und verlassen war. Er weinte still, so still, dass der Wärter, der den leeren Napf aus der Zelle holte, nichts davon mitbekam.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
D ass Mama Elo weinte, kam selten vor. Eigentlich konnte sich Rose nur an ein einziges Mal erinnern, an dem Mama Elo feuchte Wangen gehabt hatte. Das war bei Margaret Saldens Tod gewesen. Doch heute stand sie in der Küche, tupfte sich die Wangen ab und schnäuzte kräftig in ihre Kittelschürze.
»Was ist los?«, fragte Rose, obwohl sie den Grund ahnte. Willem saß am Küchentisch. Vor ihm stand eine volle Tasse Kakao, daneben befand sich eine Pfütze. Es sah aus, als hätte jemand die Tasse energisch weggeschoben.
»Was los ist, willst du wissen?«, antwortete
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