Das Herz Der Woelfin
Lauf.
„Warum hast du das getan?“, wollte Gisela wissen und riss Ylfa aus ihren Gedanken.
„Was getan?“
„Uns angegriffen? Sind alle Wikingerfrauen so – kriegerisch? – Ich könnte ein Schwert nicht einmal heben.“
„Du bist ja auch viel kleiner. – Nein, nicht alle Wikingerfrauen. – Aber einige lernen eben auch zu kämpfen.“
„Du musst sehr mutig sein. Ich hätte zu viel Angst vor einem Kampf. Es ist schwer für mich, eine Frau wie dich zu verstehen. – Also, warum?“
Ylfa seufzte und tauchte in dem hölzernen Badezuber unter, um prustend wieder aufzutauchen. Hatte dieser Fulk nun seine Schwester auf sie angesetzt, wo er selbst bei ihr nichts erreicht hatte?
„Hat dein Bruder dir aufgetragen, mich auszufragen?“, fragte Ylfa misstrauisch.
„Nein! Nein, ich wollte es nur wissen, weil ...“ Gisela trat näher an den Zuber heran. „Ich versuche zu verstehen, was du getan hast. – Ich verspreche dir, bei allem, was mir heilig ist, dass ich niemanden etwas verraten werde“, versprach sie.
Ylfa schaute noch immer misstrauisch.
„Ich schwöre es. – Bitte sag mir, warum du Rabenfeld angegriffen hast.“
Ylfa seufzte erneut.
„Wegen meines Vaters“, begann sie.
„Hat er dich etwa gezwungen, so etwas zu tun?“, fragte Gisela ungläubig.
„Nein. – Nein, ganz im Gegenteil. – Er verbietet mir, so etwas zu tun, nur weil – ich eine Frau bin.“
„Aber wenn er es dir verboten hat, wird er dann nicht furchtbar wütend werden, wenn er erfährt, was du getan hast?“
Eine Träne kullerte über Ylfas Wange und sie schniefte leise.
„Ich wollte, dass er stolz auf mich ist. Ich wollte mit reicher Beute nach Hause kommen und ihm beweisen, dass ich auch etwas wert bin. Er hat nur mich. Immer hat er sich einen Sohn gewünscht, aber er hat nur – eine Tochter.“
Jetzt flossen stitzt floimmer mehr Tränen und Gisela, die sich einen Stuhl herangezogen hatte, strich tröstend über Ylfas Haar.
„Du kannst mir alles erzählen. Manchmal hilft es, über seinen Kummer zu sprechen“, ermunterte Gisela ihren neuen Schützling.
„Meine Mutter hat zwei Kinder in den ersten Monaten verloren. Drei kamen zu früh und ein Junge starb mit einem Jahr. – Dann kam ich. – Bei der nächsten Geburt starb meine Mutter, ebenso das Kind. – Es war ein Sohn. Doch er lebte nur wenige Stunden. – Ich ... ich glaube, mein Vater hasste mich dafür, dass ich nur ein Mädchen war. Er hat mich wie einen Sohn erzogen, bis vor drei Jahren, als ich sechzehn wurde, da wollte er plötzlich, dass ich mich wie eine Frau kleide und benehme.“
„Ich verstehe dich sehr gut. Vor fünf Jahren starben meine Eltern und mein Bruder Norbert nach einer schweren Krankheit. Fulk war damals auf Reisen. Als er zurückkam, waren sie schon drei Monate tot. Er kam nicht damit zurecht, dass er nicht bei ihnen gewesen war. Er bildete sich ein, er hätte die furchtbare Tragödie verhindern können. Monatelang behandelte er mich entweder wie Luft, oder er schrie mich an. Ich dachte, er würde mich hassen, weil ich überlebt hatte und nicht Norbert. Er hatte immer eine besonders enge Beziehung zu ihm. Ich war ja nur ein Mädchen. So ging es mir also ähnlich, wie dir. – Natürlich hätte ich niemals so einen gefährlichen Weg gewählt, meinen Bruder zu beeindrucken, aber auch ich habe versucht, ihm zu zeigen, dass ich existiere. Ich ließ seine Lieblingsspeisen kochen und nähte ihm schöne Kleider. Ich versuchte ihm zu zeigen, wie sehr – ich ihn liebe.“
„Wann hat er angefangen, dich wieder zu beachten?“, wollte Ylfa interessiert wissen.
Gisela lachte.
„Eines Tages, Fulk hatte sich wieder einmal betrunken, habe ich die Geduld verloren. Ich nahm den Krug mit Met, der vor ihm auf dem Tisch stand, und zerschmetterte ihn an der Wand. Dann habe ich ihn angeschrien, dass es mich auch noch gibt und dass er mich nicht ewig ignorieren kann. Ich habe ihm alles gesagt, was mir nicht gefallen hat.“
„Und er?“, fragte Ylfa aufgeregt.
„Er saß da und starrte mich an, als wäre ich von einer anderen Welt. Ich rannte wütend aus dem Raum und am nächsten Morgen, als ich beim Frühmahl saß, kam er in die Halle und begrüßte mich, als wäre nie etwas gewesen. Seit diesem Tag hat er aufgehört, seinen Kummer zu ertränken.“
„Ich finde, du warst viel mutiger, als ich. Ich hätte niemals den Mut gehabt, so etwas bei meinem Vater zu machen“, bekannte Ylfa.
„Ich kenne deinen Vater nicht, aber ich denke, es könnte
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