Das Herz Des Daemons
Warum? Er hatte andere essen sehen, trinken sehen. Warum konnte sein Magen nicht bei sich behalten, was sie auch aßen? Warum? Was war falsch mit ihm? Seit er zu sich gekommen war, saß Schmerz in seinen Eingeweiden. Schmerz, der nichts mit seinen gebrochenen Knochen oder den anderen Verletzungen zu tun hatte. Schmerz und ... Hunger ... Gier, die mit jedem Tag schlimmer wurde. Gier nach etwas, irgendetwas ... Er wusste nicht, was. Schloss die Augen. Ebenso wenig, wie er wusste, wo er war. Seine Hand krallte sich ins Laub. Der Name der Stadt: ohne Bedeutung - Darven Meadow. Er wusste nicht, wo sie lag. Er wusste nicht, warum er hier war. Da war nur ein Gefühl ... ein Gefühl, etwas ... tun zu müssen. Irgendwo
... hier? Und ... Worte ... in der Dunkelheit: »Sorgt dafür, dass er nicht wieder auftaucht.«
Schmutzige Tricks
Noch vor ein paar Wochen war ich der Auffassung, es gäbe nichts Schlimmeres als eine Matheklausur nach einer schlaflosen Nacht, an deren Ende man obendrein noch verschlafen hatte. Inzwischen hatte ich meine Meinung
geändert.
Es
gab
Schlimmeres:
Gesprächsthema Nummer eins der hiesigen Highschool zu sein. Und das ohne Unterlass, seit ich wieder zur Schule durfte. Gereizt knallte ich die Autotür zu.
»Was auch immer es ist: Die Vette kann nichts dafür«, erklang der Kommentar von der Fahrerseite her über das schwarz spiegelnde Autodach.
Na prima. Genau das, was nur heute Morgen zu meinem Glück noch gefehlt hatte: ein klugscheißender Freund. Ich sah ihn böse an. Jeder andere hätte sich daraufhin wahrscheinlich alle weiteren Bemerkungen für mindestens die nächste Stunde, wenn nicht sogar für den Rest des Tages, verkniffen. Julien DuCraine? - Fehlanzeige! Er ließ sich von meinem mörderischen Blick nicht einschüchtern, sondern erwiderte ihn sogar mit leisem Spott. Zumindest soweit ich das sagen konnte, denn seine Augen waren wie immer hinter seiner dunklen Brille verborgen, die er nur abnahm, wenn er mit mir allein war - und die Lichtverhältnisse es zuließen. Eine seiner Brauen hatte sich jedoch ganz leicht gehoben.
»Verrätst du mir den Namen der Laus?« Julien schwang seinen Rucksack über die Schulter und schloss seine Tür so leise, als wolle er mir zeigen, wie man eine Corvette Sting Ray richtig behandelte.
»Laus?«
»Die Laus, die dir über die Leber gelaufen ist. - Oder der Grund für deine schlechte Laune.«
Ich schnaubte. »Kannst du dir das nicht denken?«
»Sag's mir!« Die Corvette gab ein Blinken von sich, als er die Zentralverriegelung und die Alarmanlage aktivierte, ehe er den Schlüssel in einer Tasche seiner Motorradjacke verschwinden ließ.
»Sie!« Mit einer scharfen Bewegung nickte ich zur Schule hin. »Ich bin es leid, angeglotzt zu werden wie die Hauptattraktion einer Freak-Show.«
Wie jeden Tag der vergangenen Woche waren wir Ziel mehr oder weniger verstohlenen Starrens der ganzen Schule - zumindest hatte ich den Eindruck, dass es die ganze Schule war. Die Blicke der männlichen Hälfte galten der schwarzglänzenden Corvette Sting Ray, die zwischen Julien und mir auf dem Schülerparkplatz der Montgomery-High stand. Die der weiblichen Hälfte waren auf mich und Julien gerichtet, und ich war bereit, jede Wette einzugehen, dass einige davon eine gute Portion Mordlust enthielten. Immerhin hatte ich mir den bestaussehenden Jungen der ganzen Schule geangelt. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ja natürlich ... ich ihn mir geangelt. Eigentlich war es genau andersherum gewesen. Und ich fragte mich nach wie vor jeden Morgen, wenn ich mir im Spiegel begegnete, was Julien eigentlich an mir fand; an mir mit meinem schulterlangen dunkelblonden Haar, den grüngrauen Augen und dem schmalen Gesicht. Juliens Behauptung, es sei auf eine atemberaubende Weise bezaubernd, konnte ich nicht nachvollziehen. Und dass ich ausgerechnet meinem Großvater Radu ähnlich sehen sollte - Radu, den man auch »den Schönen«
nannte - fand ich eher befremdend.
»Ich schätze, da gibt es nur eine Möglichkeit.« Julien hatte flüchtig in Richtung Schule gesehen. Jetzt zog er den Rucksack über der Schulter zurecht und kam aufreizend langsam mit der ihm eigenen raubtierhatten Eleganz um die Schnauze der Vette zu mir herum. Alles an ihm war pure Perfektion. Seine Züge; das dunkle, fast schwarze Haar, dessen Spitzen inzwischen ganz leicht seine Schultern streiften; der schlanke Körper ... Er war schön - jedes andere Wort wäre ihm nicht gerecht geworden. Ich hielt unwillkürlich
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