Das Herz Des Daemons
währenddessen hinter ihm gestanden und mit gefletschten Fängen warnend geknurrt. Eine einzige Geste Adriens hatte genügt, um ihn zum Schweigen zu bringen. Aber Julien war davon überzeugt, dass ich jeden Ärger und jedes Problem wert war. Er würde sich der Meinung seines Bruders beugen. Zudem war da immer noch das, was ich in der Lagerhalle gesagt und getan hatte. Dafür respektierte und achtete er mich. Kurz gesagt: Adrien hieß mich nicht mit offenen Armen als Gefährtin seines Bruders in der Familie willkommen, aber er gab mir eine Chance. Um Juliens willen.
Dass sein Flug aufgerufen wurde, ersparte uns ein neuerliches
peinliches
Schweigen.
Die
Zwillinge
umarmten sich noch einmal kurz, dann zog Adrien den
Seesack höher auf die Schulter und machte sich auf den
Weg zu den Sicherheitskontrollen. Wir folgten ihm Seite an Seite, warteten, bis er sie hinter sich gebracht hatte und - nach einem letzten Heben der Hand - in dem Korridor zu den Gates verschwunden war, bevor wir uns zum Parkplatz und zur Vette aufmachten.
Eine gerade startende Maschine donnerte über uns hinweg, als wir den Wagen erreichten. Julien öffnete seine Tür, doch statt einzusteigen, stemmte er sich mit beiden Händen gegen den Türholm und starrte auf das schwarz spiegelnde Dach der Vette.
Ich zögerte auf meiner Seite ebenfalls. »Was ist?«
Er sah mich an. Sein Mund war zu einem seltsam traurigen Lächeln verzogen.
»Ich frage mich die ganze Zeit, wie alles gelaufen wäre, wenn Gérard Bastien nach Raouls Tod nicht adoptiert hätte; wenn Bastien nicht versucht hätte, um jeden Preis zu beweisen, dass er es wert ist, Gérards Sohn zu sein.«
Was ich darauf sagen sollte, wusste ich nicht. Also schwieg ich.
»Kaum zu glauben, dass Bastien früher kein schlechter Kerl war, was?« Julien lachte bitter. »Was soll's. Es ist egal. Die Vergangenheit kann man nicht ändern.« Er schüttelte den Kopt, schaute einen Moment einer anderen startenden Maschine nach, ehe er sich wieder mir zuwandte. »Für den Augenblick ist es erst mal ausgestanden. - Lass uns fahren. Du musst todmüde sein.«
Wortlos stieg ich auf den Beifahrersitz. Julien glitt hinters Steuer, ließ die Vette an und schlug die Richtung nach Ashland Falls ein. Ich beobachtete die Häuser, die an uns vorbeihuschten, dann die Bäume entlang des Highways. Auch wenn es für denAugenblick ausgestanden war, wie er sagte: Was kam dann?
Bastiens unheilvolle Bemerkung wollte mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich sah zu Julien hinüber. Adrien hatte recht: Sein Bruder hatte genug eigene Probleme und Sorgen. So wie er alles daransetzte, um mich nicht zu belasten, würde ich es auch nicht tun.
Einmal mehr wünschte ich mir ein normales Leben. Ein Leben, in dem mir kein arroganter Mistkerl sagte, dass sich das mit mir demnächst wohl erledigt hatte. Ein Leben, in dem ich keine Angst davor haben musste, wie Gérard Bastiens Tod rächen würde. Denn genau das würde er tun.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Als ich sie wieder öffnete, begegnete ich Juliens Blick. Ich lächelte. Er war all das und noch mehr wert.
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