Das Herz Des Daemons
erfolglos nach dem Bademantel, der am Fußende liegen sollte. Eben wollte er schon aufgeben, da streifte seine Hand etwas, das sich anders anfühlte als der Überzug der Decke. Die Zahne zusammengebissen schob er die Hände durch die Ärmel, band den Gürtel um seine Mitte, arbeitete sich zur Zimmertür vor und in Richtung ihrer Atemzüge. Im Flur brannte Licht, so dass er die Lider fester zusammenpressen musste. Doch im Zimmer ihrer Großmutter war es dunkel. Die Hände vorgestreckt folgte er ihrem Wimmern, aus dem mehr und mehr ein Schluchzen wurde, trocken, hysterisch.
Sie bemerke ihn erst, als er ihre Schulter streifte. Ihr Schrei ließ ihn zusammenzucken.
»Keine Angst. Ich bin es nur. Ich tue Ihnen nichts.« Er wartete, reglos. Das Gewicht auf das unverletzte Bein verlagert. Wie durch ein Wunder beruhigten ihre Atemzüge sich tatsächlich ein wenig.
»Mein Auto ist nicht angesprungen. Deshalb bin ich zu Fuß ... Ich dachte, es ist nicht weit. Ich dachte ... Wenn ich zu den Trailern gegangen wäre ... Wenn ich jemanden geweckt hätte ... Ich dachte ... Ich ... Ich ...«
Sie verstummte mit einem zitternden Luftholen. Er kannte ihr Auto. Ein tiefblauer Mercury Cougar. Draußen, unter dem Carport, stand ein roter 1964er Cadillac Fleetwood. Manche Dinge waren einfach da. Andere nicht. Und wieder andere ... ohne jeden Bezug. Sinnlos und ... falsch. Aber für den Augenblick war das ohne Bedeutung.
Das Bett ihrer Großmutter war höher als ihres. Schwerfällig setzte er sich auf den Rand. In seinem Kiefer hatte sich das Pochen zurückgemeldet. Auch das Brennen in seinen Eingeweiden verstärkte sich erneut. Sie war so nah - zu nah. Langsam, um sie nicht noch einmal zu erschrecken, streckte er die Hand nach ihr aus, legte ihr den Arm um die Schultern. Im ersten Moment saß sie wie erstarrt, bevor sie dichter neben ihn rutschte. Er biss die Zähne zusammen, um dem scharfen Schmerz zu begegnen.
»Wenn ich nicht ... Wenn ich nicht allein ... mitten in der Nacht an der Straße entlanggegangen wäre ... das alles wäre nicht geschehen. Ich ... Ich bin ...«
»... nicht daran schuld.«
»Du bist nicht schuld! Es war seine Entscheidung. Und ihre!«
»Wenn ich nicht...«
»Es ist nicht deine Schuld!«
»Wenn nicht meine, wessen dann? Wessen dann?«
Mit einem gequälten Laut presste er die Hand gegen die Schläfe. Die Stimmen gellten unvermittelt hinter seiner Stirn. »Schuldig!« Wieder und wieder. Nur dieses eine Wort. Die Luft entwich ihm als leises Stöhnen.
»Was ist mit Ihnen?« Neben ihm beugte sie sich vor.
»Soll ich ...«
»Nein. Es ist nur ... nur Kopfschmerzen. Es ist gleich vorbei.« Das war es immer. Irgendwie. Er zwang sich die Hand herunterzunehmen. »Es war nicht Ihre Schuld!«, wiederholte er dann bestimmt. »Der Einzige, der Schuld hat, war dieser kranke Mistkerl. Sonst niemand. Nur er!«
Blind tastete er neben sich, bis er ihre Finger fand. Er schob seine dazwischen.
»Aber ...«
»Kein Aber! Nur er ist schuld. Er hätte weiterfahren können. Er hätte ein Nein als ein Nein akzeptieren können. - Sie haben keine Schuld.« Er ließ ihre Hand wieder los, strich ihren Arm empor, über die Schulter - an ihrer Kehle spürte er ihren Pulsschlag - bis zu ihrem Gesicht. Was auch immer er noch hatte sagen wollen, war vergessen. Sein Oberkiefer stand von einer Sekunde zur anderen in Flammen. Er wagte kaum zu atmen. Hastig ließ er sie los, wich zurück. Seine Rippen protestierten mit einem wütenden Stechen. Die Zähne zusammengebissen krallte er sich selbst die Fingernägel in die Handflächen.
Abermals beugte sie sich näher. »Kann ich nicht doch ...«
»Nein!« So schnell es sein Körper erlaubte, stand er auf. »Ich sollte nicht ... in diesem Haus ... Es ... es ist besser, wenn ich gehe! Gleich!«
»Was! Aber ... nein! Bitte!« Plötzlich klang ihre Stimme wieder dünn. »Lassen Sie mich heute Nacht nicht allein!«
Ihre Worte trafen ihn wie ein Blitzschlag.
»Nein, das ... ich ... wirklich ...« Nur langsam ließ das Feuer in seinem Kiefer nach.
»Bitte, Ben, bitte nicht. Gehen Sie nicht.«
Er stand einfach nur da.
»Bitte nicht.« Sie klang so verloren, wie er sich fühlte. Es war ein Fehler, zu bleiben. Dennoch nickte er nach einem weiteren Moment ganz leicht. »In Ordnung.« Mit der Hand fand er den Bettpfosten und hielt sich daran fest, tastete sich zur Tür.
Das Bettzeug raschelte. »Soll ich ...«
»Nein!« Hastig bedeutete er ihr zu bleiben, wo sie war.
»Ich ... schaffe es
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