Das Herz Des Daemons
der anderen.
Offenbar hatte sie darauf verzichtet, in ihrem Zimmer Licht zu machen, denn hinter der Tür, durch die sie ihn schließlich führte, erwartete ihn gnädige Dunkelheit, Balsam für seine Augen.
»Ich konnte leider Großvaters alte Schlafanzüge nicht finden, sonst hätte ich Ihnen einen rausgesucht. Aber sein Bademantel liegt am Fußende.« Noch immer ging sie rückwärts vor ihm her, seine Hände in ihren. Seine linke hielt sie besonders vorsichtig. Dann blieb sie stehen. »Hier.« Sie »zeigte« ihm das Bett, half ihm, sich auf den Rand zu setzen. Die Matratze gab ein wenig unter ihm nach.
Die Augen auch weiterhin fest geschlossen, legte er sich mit ihrer Unterstützung steif und ungeschickt zurück. Kissen und Decke fühlten sich wunderbar weich an. Vorsichtig streckte er sich aus. Kein Laub, kein Waldboden im Schutz eines umgestürzten Baumes oder tief hängender Äste. Kein schmerzhaftes Zusammenkauern gegen die nächtliche Kälte. Ein Bett. Es war warm. Für eine einzige Nacht!
»Ich lasse die Tür einen Spalt offen. Wenn Ling Foo oder Houdini Sie stören, werfen Sie sie einfach vom Bett.« Sie zog die Decke über ihm zurecht und strich sie glatt. »Und wenn irgendetwas ist, rufen Sie. Ich schlafe nebenan in Grannys Zimmer. Und ich lasse die Tür auch offen.« Sie zögerte. »Wie heißen Sie?«
Einen Augenblick lag er reglos. Er hätte etwas darum gegeben, ihr antworten zu könne. So zuckte er nur die Schultern. Die Stille, die sekundenlang zwischen ihnen hing, war voller Fragen.
»Ist es in Ordnung, wenn ich Sie »Ben« nenne?«
»Warum >Ben« Auch wenn es letztlich ohne Bedeutung war.
»Ich weiß es nicht. Er fiel mir als Erstes ein.«
»In Ordnung. Dann >Ben<.« Irgendein Name war besser als gar keiner. - Nicht dass sie ihn nach dieser Nacht wiedersehen würde.
»Mein Name ist Kathleen ...«
Cathérine!
Er krallte die Finger in die Bettdecke. Cathérine! Das Knarren eines Seils an einem Balken. Eine Stimme, die immer wieder »Cathérine! Nein!« schrie. Eine andere, scharf und drängend. »Ihr hetzt uns die Deutschen auf den Hals!« Und dazwischen wieder und wieder: »Cathérine!
Nein! Nein! Cathérine! Nein!«
»Ist alles in Ordnung!« Sie trat zurück ins Zimmer, Sorge in der Stimme.
»Ja.« Er konnte kaum atmen. »Alles... in Ordnung.« -
»Cathérine! Nein!«
Sie zögerte noch immer, dann: »Gute Nacht, Ben.« Ihre Schritte entfernten sich, bevor er etwas erwidern konnte.
»Cathérine! Cathérine! Nein!«
»Ihr hetzt uns die Deutschen auf den Hals!«
Er umklammerte die Decke fester. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Auf dem Rücken zu liegen war unerträglich.
»Cathérine! Cathérine! Nein!«
»Ihr hetzt uns die Deutschen auf den Hals!«
Immer und immer wieder.
Mühsam rollte er sich auf die Seite.
»Cathérine! Cathérine! Nein!«
»Ihr hetzt uns die Deutschen auf den Hals!«
Aber mehr ... war da nicht. Sosehr er sich auch bemühte. Stöhnend drückte er die Hand gegen die Stirn. Der Schmerz, der zu Anfang dahintergesessen hatte, war vergangen. Aber trotzdem war da noch immer nichts. Nichts außer Bruchstücken, Fetzen. Dem Gefühl, etwas tun zu müssen, und ... Angst. Ohne sein Zutun kroch seine Hand zu seiner Brust, als suche sie dort irgendetwas. Irgendetwas, an dem sie sich festhalten konnte. Das dort hingehörte. Aber nicht da war.
»Sorgt dafür, dass er nicht wieder auftaucht.«
Er presste die Lider fester aufeinander. Konzentrierte sich auf etwas anderes, um seine Gedanken wenigstens zur Ruhe zu zwingen. - Sie!
Gleich nachdem sie ihn allein gelassen hatte, hatte sie im Erdgeschoss zu rumoren begonnen. Er lauschte den Geräuschen. Es klang, als würde sie ... aufräumen? Immer wieder sprach sie dabei mit den Katzen. Mit einem müden Seufzen versuchte er sich ein wenig zu entspannen. Es gelang ihm nicht. Irgendwo tickte eine vermutlich ziemlich große und alte Uhr. Im Erdgeschoss wurde es leiser. Nur gelegentlich sagte sie noch etwas zu den Tieren. Dabei wurde ihre Stimme jedoch mit jedem Satz heller, schriller. Unvermittelt schlug etwas scheppernd auf den Boden. Er zuckte zusammen. Ein leiser Aufschrei. Ihre Schritte stolperten auf der Treppe, eine Tür schlug. Dann hörte er sie im Nebenzimmer atmen: hart, abgehackt, beinah wimmernd. Der Laut war unerträglich. Seine Rippen protestierten, als er sich aufsetzen wollte. Mit einem Knurren schob er sich zum Bettrand, rollte sich über die Seite, um aufstehen zu können. Einen Moment lang tastete er
Weitere Kostenlose Bücher