Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz des Drachen

Das Herz des Drachen

Titel: Das Herz des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith R. A. DeCandido
Vom Netzwerk:
aus seiner Kirche diese Konferenz zu besuchen, bevor Ramiel sich ihm gezeigt hatte. Er stimmte ohne zu zögern zu.
    Der riesige Komplex des Moscone Centers nahm einen ganzen Block ein und war an allen vier Seiten von Straßen umgeben.
    Als Ramiel zusammen mit ein paar anderen Anhängern unter der Führung von Uzziel ankam, konnten sie keine Anwesenheit von Dämonen spüren. Enttäuschend, aber nicht unerwartet. Dämonen fanden immer Möglichkeiten, sich zu verstecken. Und man hatte ihm von Anfang an gesagt, dass sie nicht gerade die Intelligentesten waren.
    Den Engeln gelang es leicht, die Konferenz zu infiltrieren, indem sie vorgaben, Teilnehmer zu sein. Obwohl sie sich interkonfessionell nannte, stellte Ramiel schnell fest, dass es sich eher um eine christlich-jüdische Zusammenkunft handelte. Diese beiden Religionen hatten, obwohl sie in der modernen Zeit ziemlich zersplittert waren, immer noch eine Menge gemeinsam. Unter anderem das Bestreben, einen höheren Einfluss auf die Menschheit zu nehmen. Sie sehnten sich nach der Art von Macht, derer sich ihre Vorfahren bedient hatten.
    Für Ramiel war das Zeitverschwendung. Sicher, im mittelalterlichen Europa hatten alle an Gott geglaubt, gebetet und der Kirche die Treue geschworen. Aber das hatten sie getan, weil sie es nicht besser wussten. Es war Glaube aus Gewohnheit. Weit weniger Menschen in der heutigen sogenannten ‚Westlichen Zivilisation‘ betrachteten sich als religiös.
    Im modernen Amerika waren die Gläubigen wirklich gottesfürchtig. Nicht, weil sie es mussten – sondern weil sie es wollten. Das war echter Glaube, fand Ramiel. Tyler Macgowan betrachtete sich nicht aus einer Familientradition heraus als Christ oder aus Angst, dass er aus seiner Gemeinde ausgeschlossen werden würde, wenn er keiner wäre. Er betrachtete sich einfach als Christ und handelte auch so.
    Besser ein wahrer Anhänger als hundert Mitläufer, dachte Ramiel.
    Das sah nicht jeder so. Er hatte den Fehler gemacht, seine Meinung vor Uriel zu äußern. Das hatte zu einer langen Schmährede über die Undankbarkeit der Menschheit geführt. Uriel fand, dass sich am zunehmenden Unglauben „der Missbrauch des freien Willens durch die Schlamm-Affen“ manifestierte.
    Aber Ramiel hielt den Mund. Er hatte immer gedacht, dass das ganze Wesen eines Engels sein sollte, das Beste in den Dingen zu sehen. Als sich Uriel als Verräter entpuppte, hatte ihn das in seinem Glauben bestärkt.
    Das Einzige, mit dem Ramiel sich nicht abfinden konnte, waren die vielen Toten. Zu viele Brüder und Schwestern waren jetzt nicht hier, weil sie gestorben waren – entweder im Dienste des Herrn, als Opfer von Uriels Betrug oder durch die Hand von Dämonen.
    Er hoffte, dass der heutige Tag niemand zu den Reihen der Toten hinzufügen würde.
    Mit Uzziel, Jophiel und Selaphiel an seiner Seite ging Ramiel zu einem Vortrag in Raum 105. Das war einer der Konferenzräume direkt neben der großen Ausstellungshalle im Erdgeschoss. Die Halle selbst war gerade leer. Anders als bei anderen Konferenzen im Moscone Center gab es hier keine Aussteller, die Waren und Dienstleistungen anpriesen. Der einzige Zweck der Konferenz war, dass Gläubige miteinander ins Gespräch kamen.
    In Raum 105 hatte sich ein Dutzend Menschen im Kreis versammelt. Die meisten von ihnen waren gut gekleidet. Einer war ein chassidischer Lubawitsch, der einen schwarz-weißen Anzug trug. Er hatte einen Vollbart und unter seinem Hut quoll langes lockiges Haar hervor. Ein anderer hatte ein schwarzes Hemd und einen katholischen Priesterkragen an.
    Der Rest trug Anzüge.
    Genau wie alle anderen Räume im Moscone Center war auch dieser vollkommen frei von dämonischer Präsenz.
    Auf einem Stuhl gegenüber der Tür saß eine Frau in einem limonengrünen Hosenanzug. Sie trug eine Brosche, die Ramiel merkwürdig bekannt vorkam.
    „Hallo“, sagte sie. „Sind Sie gekommen, um bei unserem Kolloquium mitzumachen?“
    Uzziel lächelte und sprach mit seiner tiefen Stimme. Sein Gefäß war ein Kinderarzt namens Pierce, ein großer, kräftig gebauter Afroamerikaner. Er konnte seine Patienten mit dieser Stimme überzeugen, dass es wirklich nur einen Moment zwicken würde.
    „Nein, danke“, antwortete er. „Wir möchten nur zusehen, wenn das in Ordnung ist.“
    „Gern“, sagte die Frau.
    Plötzlich erkannte Ramiel die Brosche – oder besser, er erkannte den Stein in der Mitte der Brosche.
    Es war einer von vier existierenden und drei davon waren sicher in einer

Weitere Kostenlose Bücher