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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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gebracht hatte, das Leben, das sie erschaffen und ausgetragen und geboren hatte. Er war sich seiner Unvollständigkeit so bewußt, er war so erfüllt von dem Drang, seine eigene Bestimmung zu finden.
    Wie konnte er ihr von dem Land erzählen, das er gekauft hatte? Er wußte schon, wie sie darauf reagieren würde, wie sie sich an alles klammerte, was sie kontrollieren konnte, denn es gab so viel, was sie nicht kontrollieren konnte. Der Kampf, den sie hatte austragen müssen, um dort hinzukommen, wo sie jetzt war, in ihrem Haus mit ihrem Sohn, war so lang gewesen, so hart, in einer Welt voller Armut und Gewalt. Ihre Arbeit, ihr Haus, ihr Alltag – das war ihr Heiligtum, ihr Schild, ihr Überleben.
    An einem Samstag hatte er von dem Mathematiklehrbuch aufgeschaut, in dem er las, und sich entschieden, daß heute der richtige Tag war. Miriam hatte eine Näharbeit in Händen gehalten, er hatte das Radio ausgeschaltet und ihr erzählt, daß zu jener Zeit, als er sich in die eigenen Augen hatte starren müssen, sein Verlangen gewesen war, sich zu entfernen und dorthin zurückzukehren, wo er herkam, die Reise seines Lebens zurück an die Quelle zu vollenden, noch einmal von vorne anzufangen, ein neues Leben. Etwas mit seinen eigenen Händen zu erschaffen – Händen, die zerstört hatten –, vielleicht mit Schweiß und Muskelkraft und Konzentration ein Haus zu bauen, einen Ort zum Leben. Seine Finger in den Grund zu schlagen, die Erde umzugraben, zu pflanzen und zu nähren. Er begann zu suchen, und Wochen später fand er es in Cala Valley, einem wunderschönen Ort, an dem der Nebel sich im Winter an die Bergwände schmiegte, und so weit man sehen konnte, waren die Felder grün und fruchtbar; es war Xhosa-Land, die Landschaft seiner Jugend, seines Volkes.
    Thobela war dorthin unterwegs gewesen, er schloß gerade die letzten Formalitäten ab, als Miriam seinen Weg gekreuzt hatte, und jetzt, viele Monate später, erfüllte ihn das Verlangen immer noch. Aber er konnte es nicht mehr länger allein |141| tun, denn er war nicht mehr länger allein. Also bat er sie, mit ihm zu kommen. Sie und Pakamile. Sie würden das Kind aus der harten Welt herausholen und ihm sein Erbe zeigen. Laß ihn andere Werte lernen, gib ihm eine sorgenfreie Jugend. Dort gab es Schulen, in der nahen Stadt, er konnte seine Ausbildung beenden. Miriam müßte nicht arbeiten. Er konnte sie ernähren, er würde sie ernähren, er würde dieses neue Leben für sie erschaffen.
    Sie schwieg lange, Nadel und Faden bewegten sich gleichmäßig zwischen ihren Fingern. Dann sagte sie, sie müsse darüber nachdenken – es sei eine schwierige Entscheidung –, und er nickte, er war dankbar, daß sie wenigstens darüber nachdachte, immerhin war ihre Antwort nicht nein gewesen.
    Ein Blitz riß ihn in die Wirklichkeit zurück. Es schien, als würde es vor ihm regnen. Er schaute auf den Kilometerzähler, noch sechzig Kilometer bis Beaufort West. Die Tankanzeige unterhalb der Hälfte. Der Horizont im Osten nahm eine andere Farbe an, er mußte es vor Tagesanbruch in die Stadt schaffen, um zu tanken. Er gab mehr Gas, 160, er spürte die Müdigkeit in seinen Knochen, 170, er schaute auf seine Digitaluhr, 04:43, die Nacht war fast vorüber, er war nicht besonders weit gekommen und hatte noch einen langen Weg vor sich. Kimberley – wenn er dorthin gelangte, konnte er ein Flugzeug nehmen, 180, vielleicht nach Durban, um das Muster zu zerstören, aus Durban nach Maputo, Maputo nach Lusaka, kein Problem, 190, er mußte sich anpassen, er mußte die Sache hinter sich bringen und dann zurückkehren, damit Miriam erkannte, daß er sie nie verlassen würde, 200, die weißen Streifen auf der Straße sausten an ihm vorbei, zu schnell, er war noch nie so schnell gefahren. Ja, der neue Tag zeigte sich schon als roter Streifen im Osten.
     
    Zwei neue Wagen kamen, ein Opel Corsa und ein Isuzu-Pick-up. Mit steifen Gliedern kletterten Polizisten heraus, sie zogen ihre Regenmäntel eng um sich herum, sie waren |142| erstaunt über diesen morgendlichen Befehl, sich in den Regen zu begeben. Sie gingen hinüber zu Mazibuko.
    »Der Sergeant hat über Funk gemeldet, daß er Ihre Männer abgesetzt hat.«
    »Ich weiß. Wir haben Funkkontakt. Wo ist der Sergeant jetzt?«
    »Sie sind nach Hause gefahren. Ihre Schicht ist um.«
    »Oh.«
    »Auf der Straße wird viel mehr los sein, wenn es hell wird. Halten Sie alle an?«
    »Nur wenn es notwendig ist. Seid ihr hier, um zu helfen?«
    »Ja.«
    »Dann müßt

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