Das Herz des Loewen
sich alles zum Guten wenden.“
Megan nickte, obwohl sie daran zweifelte. Beklommen schaute sie sich in der Halle um. Fast der ganze Clan Sutherland hatte sich versammelt, in festlichem Staat. Zwei Dutzend Fackeln beleuchteten die fröhliche Schar, doppelt so viele Lichter wie an gewöhnlichen Tagen.
Sogar die verrußten Mauern wirkten etwas heller. Wahrscheinlich waren sie geschrubbt worden, bevor Lady Mary der Dienerschaft befohlen hatte, die besten Wandteppiche aufzuhängen.
„Ah, da kommt Lord Nigel, endlich!“, rief die Gastgeberin.
Megan sah den grauhaarigen Mann zwischen den Tischen herankommen. Sein runder, von Seide umhüllter Bauch drohte den kostbaren goldenen Kettengürtel zu sprengen. „Lady Mary, wie schön, Euch wiederzusehen!“ Keuchend stieg er auf das Podium und ließ sich auf den Stuhl zu ihrer Rechten fallen. Dann griff er nach dem Weinkrug, füllte einen Becher bis zum Rand und hielt ihn unter die rote Knollennase.
„Wo bleibt unser Gast?“, fragte Lady Mary.
„Er kommt nicht“, erwiderte Lord Nigel und nahm einen großen Schluck.
„Was?“, rief Megan entgeistert.
Er ließ den Becher eben lange genug sinken, um seine Antwort zu wiederholen, dann hob er ihn wieder an die Lippen.
„Wo ist er?“, fragte Megan.
Seelenruhig wischte er sich mit seinem Handrücken die Lippen ab. „Er isst mit seinen Männern.“'
Megans Finger krallten sich in den Rock des roten Kleids, das sie so hoffnungsvoll angezogen hatte. „Obwohl er weiß, dass wir ihn hier erwarten? Wie rücksichtslos ... “
„Wahrscheinlich ist er müde von der Reise“, warf ihre Mutter ein.
Lord Nigel nahm kein Blatt vor den Mund. „Offensichtlich teilt er die Meinung seines Vaters, denn er möchte nicht mit den Sutherlands an einem Tisch sitzen.“
Mühsam rang Megan nach Atem, als ein Raunen durch die Halle ging. Vermutlich tuschelte man bereits über die Abwesenheit ihres Verlobten. Schon einmal hatte sie einen Bräutigam verloren. Nun, diesmal würde man sie nicht weinen sehen. Entschlossen straffte sie die Schultern.
„Das wusste ich ja! “ Archie Sutherland stapfte die Stufen zu der Mauer hinauf, die das Dorf vor der Brandung schützte. „Erst seit drei Stunden ist Ross Carmichael in Curthill, und ausgerechnet jetzt segelt die Hawk in den Hafen.“ Eine Gestalt trat langsam aus den Schatten, und er tippte sich respektvoll an die Schläfe. „Mylord, Euch habe ich heute Nacht nicht erwartet.“
„Ich komme früher als geplant, weil ich von der Ankunft der Hawk gehört habe.“
„Aye, welch ein Pech! “
„Sicher, sie trifft zum falschen Zeitpunkt ein, aber das ist nur ein kleines Problem.“ Die Augen Seiner Lordschaft glitzerten im bleichen Mondlicht. „Die Männer sollen die Fracht des Schiffs heute Nacht löschen.“
„Aber Douglas hat reiche Beute gemacht. Der Laderaum ist voll. Wir brauchen mindestens zwei Nächte, um ihn zu leeren.“
„Setzt alle Männer ein, die Ihr erübrigen könnt. Die Hawk muss heute Nacht ausgeladen und morgen früh in der Bucht versteckt werden.“
„Und die Fracht, die wir verkaufen wollen?“
„Morgen Nacht soll Douglas wieder in den Hafen segeln, so viel laden wie nur möglich und während der nächsten Nächte zurückkommen, bis alles an Bord ist.“
„Und wenn Ross neugierig wird, im Dorf herumschnüffelt und das Lagerhaus findet?“
„Dann sollen Douglas’ Männer ihn in die Burg zurückscheuchen. Sie müssen ihm eine Lektion erteilen, dürfen ihn aber nicht töten.“ Noch nicht. Erst musste Seine Lordschaft Mittel und Wege finden, um das zu erledigen, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen.
„Und wenn Lord Nigel von irgendwelchen Schwierigkeiten erfährt?“
„Ein Angriff auf Ross würde niemanden überraschen, nachdem sein Vater vor knapp drei Wochen versucht hat, das Dorf niederzubrennen. “
„Aye, Ihr habt recht. Insbesondere, weil der junge Herr ein hochmütiger Bursche ist, der über uns barbarische Hochländer die Nase rümpft.“
„Gewiss, und dafür soll er bestraft werden. Passt nur auf, dass keiner Eurer Männer erkannt oder gefangen genommen und befragt wird.“
„Wie Ihr wünscht, Mylord.“
Das Lächeln des Lords erlosch, als er sich an jenen Teil seines Plans erinnerte, den man durchkreuzt hatte. Siusan war entkommen. Irgendwann würde er sie finden, aber nach zehn
Monaten verlor er allmählich die Geduld. Natürlich wusste Megan, wo ihre Schwester steckte, wenn sie es auch entschieden bestreiten würde. Sie war
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