Das Herz des Loewen
entschädigen, und wenn er den Rest seines Lebens dafür verwenden musste.
„Wohin geht Ihr?“, fragte Owain, als Ross aus dem Zimmer stürmte.
„Ich suche Megan!“ In halsbrecherischer Geschwindigkeit rannte er die Wendeltreppe hinab, und seine Männer vermochten ihm kaum zu folgen. Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme Owains, der ihn zur Vorsicht ermahnte, und Davey schrie, man solle die Rüstungen und Helme bringen.
An der Stalltür holte Owain ihn ein und packte seinen Arm. „Seid doch vernünftig! Wir brauchen Fährtenleser und ...“
„Dann trommelt unsere Leute zusammen!“, stieß Ross atemlos hervor. „Beeilt Euch!“
„Herr!“ Ein Carmichael-Krieger stolperte aus dem Dunkel des Stalls, die Kleidung zerknittert. Aus einer Platzwunde an seiner Schläfe sickerte Blut. „Eure Gemahlin ..."
Aufgeregt umfasste Ross die Schultern des Mannes. „Was ist mit ihr?“
„Vor einigen Stunden ritt sie mit einem jungen Burschen davon. Ich wollte Euch verständigen, aber da schlug mich jemand von hinten nieder, und ich verlor die Besinnung.“
Ross’ Herz krampfte sich zusammen. Noch jemand war hinter Megan und Lucais her. Aber wer?
11. KAPITEL
„Jemand folgt uns“, wisperte Lucais.
„Bist du sicher?“ Als er nickte, stöhnte Megan laut auf. Es musste Ross sein, und das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wo es doch schon schlimm genug war, dass sie jeden Augenblick befürchten musste, vom Senkrücken der Stute zu fallen, die sie aus dem Stall ihres Vaters geholt hatte ...
„Vielleicht sollten wir versuchen, den Verfolgern zu entwischen und uns weiter oben im Wald verstecken“, schlug Lucais vor.
„Ich soll fliehen? Auf einem Pferd?“ Früher hätte sie einen wilden Galopp durch dunkles Dickicht lachend begrüßt, jetzt erschauerte sie.
„Steigt hinter mir auf, und ich führe Eure Stute am Zügel. Dann kommen wir schneller voran.“
Widerstrebend stimmte sie zu, obwohl es ihren Stolz verletzte, wie ein Kind behandelt zu werden. Ihre Knie, die sie krampfhaft in die Pferdeflanken gedrückt hatte, schmerzten qualvoll und trugen sie kaum, nachdem sie aus dem Sattel geglitten war. Sie verfluchte ihre eigene Schwäche, während sie zu Lucais hinüberwankte und mit seiner Hilfe hinter ihm auf den Hengst stieg.
„Schlingt einen Arm um mich! “, wies er sie an, und sie gehorchte, wenn es ihr auch sonderbar erschien, von diesem mageren Jungen Befehle entgegenzunehmen. Das Jahr fern von zu Hause und zwei beschwerliche Reisen ins Hochland ließen ihn reifer erscheinen, als es seinen dreizehn Jahren entsprach. „Haltet Euch gut fest, Mistress! Jetzt wird’s ein bisschen ungemütlich.“
Welch eine Untertreibung, dachte Megan, die alle Mühe hatte, nicht vom Rücken des galoppierenden Pferdes zu fallen.
Die Küste lag längst hinter ihnen. Stetig ritten sie bergauf. Bei jedem Schritt des wild dahinsprengenden Hengstes stießen Megans Zähne aufeinander, immer wieder drehte sich ihr Magen um. Glücklicherweise hatte sie vor ihrem Aufbruch nicht gefrühstückt. Und dieser unebene Boden ... Sie wagte nicht, nach unten zu blicken, aus Angst, die zerklüfteten Felsen könnten sie hinabziehen. Dummer Aberglaube, würde Ross sagen.
Ross ... Ihr Herz hämmerte heftig gegen die Rippen, und das hing nicht mit dem wilden Galopp zusammen. Womöglich sah sie ihren Gemahl nie wieder. Er würde davongesegelt sein, wenn sie mit Siusan und Lucais nach Curthill zurückkehrte. Oder würde er nach ihr suchen?
Sie warf einen Blick über die Schulter, glaubte, Reiter auf einem Grat zu erblicken, konnte aber wegen der großen Entfernung keine Einzelheiten erkennen.
„Nun biegen wir links ab“, erklärte Lucais, als sie den Wald erreichten. „Und wenn die Luft rein ist, reiten wir auf unseren Weg zurück.“
Unter den weit ausgebreiteten Ästen der Bäume war es kühl und dunkel. „Können wir uns hier ausruhen, bis morgen früh?“, fragte Megan sehnsüchtig.
„Das wäre zu gefährlich.“
„Und wir müssen so schnell wie möglich zu Siusan gelangen. Erzähl mir noch einmal, wie es ihr gegangen ist, als du sie verlassen hast.“
„Sie war ziemlich blass und schwach.“
„Sicher wird das Mutterkraut, das ich mitgenommen habe, ihr Fieber senken. Und der Rhabarber müsste ihr Blut stärken.“ Hoffentlich, dachte sie bedrückt. Meine Schwester hat schon genug gelitten.
Auf schmalen Pfaden lenkte Lucais die beiden Pferde immer tiefer in den Wald hinein. Dornenbüsche zerrten an Megans Kleidung,
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