Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
hält sich an seinem Hals fest, ihr Kopf mit den schmutzigen Haaren ruht an seiner Schulter. Gísli blickt auf sie hinab und scheint plötzlich nicht mehr zu wissen, was er tun soll. Was jetzt, fragt seine ratlose Miene, was machen wir denn jetzt?
Sollten wir sie nicht ins Haus bringen?, schlägt der Junge vor.
In welches Haus?, fragt Gísli.
In Geirþrúðurs.
Geirþrúður, murmelt Gísli, als müsste er den Namen erst einmal ausprobieren, doch dann kommt er zu sich. Nein, nein, zu mir ist es näher, Rakel ist bestimmt zu Hause, und sie ist jetzt die Richtige für dich, Svandís, nicht wahr, du armes Ding. Was hältst du davon, sagt er mehr, als er fragt, und geht los.
Ich habe sie angefleht, damit aufzuhören, sagt sie an seiner Schulter. Warum haben sie nicht aufgehört, obwohl ich darum gebettelt habe?
Soll das Meer sie alle holen, sagt Gísli und hält Svandís fester.
Es fehlt nicht viel, und wir würden das Gleiche sagen, dass das Meer die drei Kerle holen soll, obwohl es doch unverzeihlich ist, anderen den Tod zu wünschen. Aber wie heißt es doch: »Macht kann den Menschen zum Teufel machen, und darum sind Männer manchmal das Schlimmste, was es auf Erden gibt.«
VI
Eine schlimme Nacht ist das, sagt Gísli.
Sie haben Svandís zu Rakel gebracht und sitzen jetzt im Sodom . Außer ihnen sind noch vier dänische Seeleute da, laut und betrunken. Marta sitzt bei den Dänen und macht ein gefährliches Gesicht.
Eine schlimme Nacht, sagt Gísli an die Tischplatte gerichtet.
Aber was ist schlimm, was ist gut? Der Unterschied ist nicht so klar, wie wir es gern hätten. Was gut ist, kann uns später Unheil bescheren, das Schwerste kann uns eines Tages trösten. Aber diese Nacht sieht nicht besonders gut aus, das ist richtig. Bei Rakel im Keller starrt Svandís vor sich hin. Die Seeleute sind im Nebel auf sie gestoßen, sie war allein unterwegs, trug nicht mehr als ihr kurzes Kleid, sprach zusammenhangloses, wunderliches Zeug. Einer der Kerle hat sie freundlich gegrüßt, sogar fröhlich, aber dann hat er ihr an die Brust gefasst, und da war es aus mit der Fröhlichkeit. Die drei Matrosen hielten es nicht mehr aus, sie kamen mit dem Nebel nicht zurecht, nicht mit ihrer Überzahl, nicht mit der Berührung einer nackten Brust; etwas brannte in ihnen durch, mehr Charakter hatten sie nicht. Sie drückten sie zu Boden, rissen das Kleid auf, sie sagte Nein, ein-, zwei-, dreimal, setzte sich aber nicht zur Wehr, außer mit ein paar Tränen, ansonsten lag sie nur mit weit aufgerissenen Augen da.
Höllische Augen sind das, sagte der Erste und hielt sie ihr mit seinen großen Pranken zu, dann nahm er sie, während die beiden anderen schon ungeduldig warteten. Danach flohen sie in den Nebel.
Eine schlimme Nacht ist das, und ich weiß nicht, woher sie kommt, sagt Gísli und schüttet ein Bier in sich hinein, kippt es über sein Leben, diese Ruine, während der Junge nur an seinem Bier nippt und auf eine Gelegenheit wartet, den Schulrektor mit nach Hause zu nehmen, wie es ihm aufgetragen wurde, obwohl er nicht die leiseste Ahnung hat, wozu, und nicht sicher ist, ob er es überhaupt wissen möchte. Ebenso unklar ist es, ob er Gísli wirklich mitnehmen will, denn um was für eine Reise mag es gehen, und wer wird daran teilnehmen? Gísli doch wohl kaum, nein, auf keinen Fall, aber wozu möchte Geirþrúður ihn dann im Haus haben?
Ágúst bringt Gísli ein weiteres Bier und vermeidet es dabei, in Richtung seiner Frau zu blicken, die sich umdreht, um ihn zu beobachten.
Blöde Tunte, sagt sie in vollkommen beherrschtem Ton. Schlappschwanz, Versager, ynkelig mand , sagt sie. Ich brauche en rigtig mand , seid ihr das?, fragt sie die Dänen.
Der ihr am nächsten Sitzende beugt sich vor, flüstert ihr etwas zu, sie wirft den Kopf zurück und lacht.
Sie ist ein teuflisches Biest heute Nacht, murmelt Gísli. Und Morgen wird es wahrscheinlich nie mehr, fährt er fort, als der Däne, der Marta etwas zugeflüstert hat, ihr an die Brust greift, vorsichtig, abwartend zunächst und darauf vorbereitet, es jederzeit wie einen Scherz aussehen zu lassen, dann aber gieriger, als sie nichts anderes tut, als den Kopf zu wenden, um ihrem Mann in die Augen zu blicken.
Ich habe zwei, sagt sie ganz ruhig zu dem Seemann.
For helvede , das ist wahr, sagt er heiser, und seine Kumpane sehen zu, rutschen unruhig auf den Stühlen hin und her.
Du willst Gedichte schreiben, sagt Gísli zu dem Jungen und guckt zu Marta hinüber. Da hast du den
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