Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
Eier ab!, brüllte einer und hielt ein Messer in der Hand.
Teufel, noch mal!, rief Gunnar.
Jetzt reicht’s, verdammt!, schrie der Junge auf, packte die Whiskyflasche am Hals, schwang sie hoch wie eine Keule, denn jetzt war es Zeit, endlich dreinzuschlagen, jetzt musste man sich prügeln und jemandem die verdammte Flasche über den Schädel ziehen, Hölle, Tod und Teufel! Er hob die Flasche so hoch über den Kopf, dass ihm der Whisky den Arm hinablief. Ich mache mich noch im äußersten Moment lächerlich, dachte er und stellte die Flasche ab.
Ich habe mich noch nie geprügelt, sagte Gísli, als einer der Dänen versuchte, Ágúst die Hose runterzuziehen.
Auf sie!, brüllte Gunnar, und sie sprangen zu dritt vor. Sie hatten keine Erfahrung und eigentlich keine Chance bei Schlägereien, aber sie kamen völlig unerwartet und wie eine Explosion – wütend über all das, was das Leben ihnen angetan hatte. Gísli war ein mächtiger Brocken, nur hatte er seinen Körper noch nie für etwas anderes einsetzen müssen als zum Trinken und zum Lesen von Gedichten. Jetzt warf er sich mit seinem ganzen Gewicht auf einen der Dänen, sie fielen beide zu Boden, rissen im Fallen Stühle um und landeten unter einem Tisch, Gísli obenauf, er brüllte unverständliche Verse und schwang sie wie Knüppel. Der Junge hingegen lag gleich darauf unter dem Glatzköpfigen, der stark war wie ein Stier und freudig ob seiner Überlegenheit grinste, er verpasste dem Jungen lässig ein paar Ohrfeigen und blickte dabei um sich: Seht her, was für einen Spaß ich habe, drückte sein Gesicht aus. Doch wer an Kraft unterlegen ist, setzt alles ein, was er hat, es bleibt ihm nichts anderes übrig, und der Junge schaffte es, den kleinen Finger des Mannes mit den Zähnen zu packen, und er biss aus Leibeskräften zu, als hinge sein Leben davon ab, fest genug zuzubeißen. Es knackte in dem Finger, und der Glatzkopf brüllte im selben Moment auf, in dem Gunnar sein Gegenüber zu Fall bringen konnte. Sie rissen den Tisch der Dänen mit sämtlichen Gläsern und Flaschen im Fallen mit um, und Gunnar stieß laute Flüche und Verwünschungen aus, weil Ragnheiður weggegangen war und er sie nie im Leben würde küssen können, geschweige denn mehr. Warum soll ich dieses Scheißleben dann noch weiterleben?, schrie er dem Dänen ins Gesicht, der kein Isländisch verstand und daher zu dieser brennenden Frage keine Stellung beziehen konnte. Der Mann, der schon in der Kammer und in Marta gewesen war und bei dem es nicht mehr lange gedauert hätte, als er an den Haaren von ihr herabgezogen worden war, hatte Ágúst gegen die Wand gedrückt, schob ihn am Hals daran in die Höhe, und der Wirt hörte ihn vor Röcheln kaum, als der Däne sein Messer zückte und rief: Jetzt schneide ich dir den Schwanz ab, du verdammte Tunte! Aber Ágúst sah seine Frau angerannt kommen, mit nacktem Oberkörper und einem schweren Topf in der Hand.
Nachdem Ágúst den Dänen von ihr heruntergezerrt und alles verdorben hatte, war sie einfach im Bett liegen geblieben, als ginge sie das alles nichts an, hatte die Decke über sich gezogen und vielleicht vorgehabt, einfach einzuschlafen, aber dann hatte ihr Herz fürchterlich zu klopfen begonnen, und sie hatte auf einmal ein ganz klein bisschen weinen müssen. Es hatte gutgetan, den Seemann in sich drin zu fühlen, und sie hatte den zweiten schon in der Tür stehen sehen, wusste, dass er als Nächster an die Reihe kommen wollte, aber das war ihr vollkommen gleich gewesen, ihr war alles scheißegal gewesen, das Ganze fühlte sich gut an und war zugleich unsagbar komisch, sie hatte lachen müssen, was den großen Kerl auf ihr spürbar irritiert hatte, aber was machte das, er war ihr so was von gleichgültig gewesen, nur was er tat, war wichtig, doch dann war alles so gekommen, wie es kam. Ágúst hatte den Seemann von ihr herabgerissen, ihr Ágúst, der sonst ein solcher Schlappschwanz war, so fürchterlich zurückhaltend, ewig auf der Hut, der jede Öre zweimal umdrehte, für ein Haus und die Zukunft sparte, anstatt hier und jetzt zu leben, seine schreckliche Vorsicht, die so erstickend sein konnte, Ágúst, der sich nie aus der Reserve locken ließ, was immer sie auch anstellte, wie auch immer sie mit ihm umsprang, der nie versuchte, sich zu revanchieren, wenn sie wieder einmal über die Stränge geschlagen, ihn bloßgestellt hatte und am Tag darauf mit bohrenden Kopfschmerzen hundeelend im Bett lag, dann hatte er auch noch mit einem feuchten
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