Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
Vom Netzwerk:
zur Hälfte gerauchte Zigarillo ausdrückt und in die kleine Kammer verschwindet, wohin ihr der Däne gleich folgt. Höchstwahrscheinlich kommt man sehr viel schneller in die Hölle als in den Himmel.

VII
    Es ist schon weit nach drei, sagt die noch wach dasitzende Geirþrúður, als der Junge endlich mit Gísli ins Haus kommt. Sie haben es durch den Nebel geschafft, vom Sodom bis hierher, durch dichten Nebel, der noch immer am Schulmeister zu haften scheint und ihn nur undeutlich sichtbar macht. Sie haben es geschafft, aber es ist schon nach drei. Helga schläft auf dem Sofa, eine Decke über sich gebreitet, aber sie wacht sofort auf, als die beiden hereinkommen und der Junge nach der Uhrzeit fragt. Sie erwacht und steht gleich auf, mit einem an ihr überraschenden wehrlosen Gesichtsausdruck, der nach Einsamkeit aussieht, aber das ist wohl ein Missverständnis, es währt auch höchstens Sekundenbruchteile, dann hat sie sich im Griff und ist vollkommen wach.
    Wie seht ihr denn aus?, fragt sie, hört auf, die Decke zusammenzufalten und beugt sich vor, um besser zu sehen. Hattet ihr einen Unfall?
    Da richtet sich Gísli auf und schaut an sich herab auf seinen zerrissenen Pullover, er hebt den Arm und staunt über seinen aufgeschürften Handrücken.
    War das ein Mist, sagt er.
    Der Matrose war Marta in die Kammer nachgegangen, ein kleines Schlafzimmer hinter der Kneipe. Seine Kumpane guckten ihm nach, die Tür stand ein Stück offen – womöglich um noch mehr Männer einzuladen? Einer der Dänen, ein Glatzkopf mit breiten Schultern, erhob sich schwerfällig, machte drei, vier unsichere Schritte auf die Tür zu, blieb aber stehen, als Ágúst ebenfalls aufstand, erstarrte geradezu und grinste entschuldigend, als wollte er sagen: Entschuldige, aber ich habe einen solchen Druck.
    Ágúst würdigte ihn keines Blicks, ging geradewegs an die Bar, kam mit einer Flasche Whisky und vier Gläsern zurück, setzte sich, füllte die Gläser, leerte seins und starrte mit einem leisen Zittern in den Mundwinkeln ausdruckslos vor sich hin. Der glatzköpfige Däne blickte unsicher abwechselnd auf Ágúst und zur Schlafkammer, doch als der Wirt keine Anstalten machte, sondern nur vor sich hin stierte, legte er auch das letzte Stück zurück, drückte die Tür ganz auf und spähte mit vorgerecktem Kopf wie ein Tier nach drinnen. Der Junge sah Gísli bittend, flehend an, aber der schüttelte den Kopf, was immer das auch heißen sollte, und der Junge schluckte, wollte am liebsten weglaufen vor diesen obszönen Geräuschen, die aus der Kammer drangen und in seinem Innern etwas zerreißen ließen. Ágúst füllte die Gläser wieder, alle vier, ohne darauf zu achten, dass der Junge an seinem kaum genippt hatte; das meiste lief über und bildete eine gelbliche Pfütze auf dem rauen Holz. Er stellte die Flasche ab, und dann starrten sie alle auf die Gläser, als ginge es über ihre Kräfte, etwas anderes zu tun. So saßen sie da wie Verurteilte, während der erste Seemann in der Kammer wütete und der Kahlköpfige die Hose aufgeknöpft und sein schweres Glied herausgeholt hatte, das er streichelte wie ein Schoßtier. Ágúst griff nach seinem Glas und kippte sich den Whisky in den dünnen Hals, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, blickte um sich, als müsste er sich den Ort einmal ansehen, er hatte sogar einen leicht erstaunten Gesichtsausdruck, als wollte er fragen: Wo bin ich? Wo bin ich hier gelandet?
    Ágúst, sagte Gísli noch einmal, als die Glatze in der Kammer verschwand, das steife Glied, diese Verhöhnung, in der Hand, trat er in das ochsenhaft brüllende Stöhnen seines Kumpels, Flüche, Martas Lachen, und der dritte Däne stand auf, sabbernde Lippen, sein Gesicht wie eine Maske, Liebe kann dir dein Urteilsvermögen rauben, Lust und Gier das Gewissen.
    Dann ging alles ganz schnell.
    Ágúst war auf einmal an der Kammer, langte hinein und zerrte den Glatzköpfigen rückwärts wieder raus, was ihm nicht schwerfiel, weil sich der Mann mit heruntergelassener Hose kaum auf den Beinen halten konnte, dann warf ihn Ágúst ohne Anstrengung zu Boden, ging in die Kammer zurück und zog den ersten Seemann an den Haaren heraus, der zeternd versuchte, auf die Füße zu kommen, aber auch ihm war die heruntergelassene Hose im Weg, noch dazu war er völlig durcheinander, weil ihn dieser Furor aus der Selbstvergessenheit des Fleisches gerissen hatte. Aber die Matrosen berappelten sich rasch und rangen Ágúst zu Boden.
    Schneidet ihm die

Weitere Kostenlose Bücher