Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
Tuch und einem Eimer an ihrem Bett gesessen, ihr übers Haar gestreichelt, leise etwas gesummt und war so unfassbar, unerträglich gut zu ihr gewesen, und darum hatte sie ein bisschen weinen müssen. Aber wie feige ist es, einfach im Bett liegen zu bleiben, wenn der beste Mann der Welt in der Bredouille steckt, ja, der Beste, aber so schwach, dass er ohne sie nicht das Geringste ausrichten kann? Sie warf die Decke ab, griff sich das nächstbeste Kleidungsstück, stieg in seine Hose, der Rest war ihr egal, stürzte aus der Kammer, holte sich einen schweren Kochtopf, sah, wie dieser dänische Dreckskerl ihren Mann zurichtete, sah es und schlug aus Leibeskräften zu. Sie zielte auf den Kopf, war aber vermutlich zu betrunken, zu hitzig, und traf nur die rechte Schulter, allerdings mit voller Wucht, er schrie vor Schmerz auf und ging vollends in die Knie, als sie ihm kräftig zwischen die Beine trat. Der Aufschrei des Dänen und Martas Verwünschungen änderten alles, die anderen hörten auf, sich auf dem Boden zu wälzen, der Däne, der inzwischen die Oberhand über Gísli gewonnen hatte, erhob sich ein bisschen benommen von all den Worten, die der Schulrektor kübelweise über ihn ausgegossen hatte, Marta stand mitten im Raum, Ágúst neben ihr, das Messer des Matrosen in der Hand, sie schwenkte den Topf, wobei ihre schweren Brüste schaukelten. Die Dänen standen dicht beieinander, verunsichert, zögernd, einer mit ramponierter Schulter, der zweite mit einem angebissenen Finger, der dritte von Verszeilen außer Gefecht gesetzt, nur der vierte war noch einigermaßen kampftüchtig, mit seinen breiten Schultern hatte er Gunnar ganz schön zurichten können, nachdem er sich von dem Überraschungsangriff erholt hatte, und glotzte nun abwechselnd den Topf und Martas Brüste an, vor allem Letztere, schwer nur konnte er die Augen von ihnen reißen, und das rächte sich umgehend, denn ehe er sich’s versah, trat Marta einen Schritt auf ihn zu und hämmerte ihm den Topf auf Kiefer und Nasenbein. Im nächsten Augenblick flohen die Männer, stürzten mit lahmer Schulter, blutendem Finger und gebrochener Nase in die Nacht. Der Nebel verschluckte sie.
VIII
Wir sehen ja nichts in diesem Nebel, man erkennt kaum die eigenen Zehen, sagt Gísli.
Also sind wir alle blind, meint Kolbeinn. Er sitzt ganz vorn im Boot, weitet die Nasenflügel und kann von dem Meeresgeruch gar nicht genug bekommen, denn der Duft nach Meer ist an Bord eines Bootes und draußen auf dem Meer ein ganz anderer als der, den du an Land wahrnimmst. Man könnte Kolbeinns Gesicht für eine offene Wunde halten, aber er hat es von den anderen abgewandt und dem unsichtbaren, unerklärlich stillen Meer zugekehrt.
Der Morgen war längst angebrochen, als sie an still daliegenden Segelschiffen vorbei aus dem Hafenbecken ruderten. Die Masten sahen sie nicht, nur die Schiffsrümpfe, die der Nebel in uralte Wale verwandelte, ganz hart vor Alter. Es ging auf neun Uhr zu, aber bis auf ihre Ruder war kein Geräusch zu vernehmen, außer wenn die Bootsspitze durch Nebel und Wellen schnitt. Die beiden Männer ruderten langsam durch die Enge unterhalb des Sodom , und der Junge war erleichtert, als sie keinen Brandgeruch wahrnahmen. Sie hatten befürchtet, die Dänen könnten mit Verstärkung wiederkommen, mit noch mehr Fäusten, um Rache zu nehmen und vielleicht sogar das Haus niederzubrennen. Aber es roch nicht nach Rauch. Das Sodom steht also weiterhin im Nebel, unbeschädigt und verlassen. Gísli und der Junge hatten die Wirtsleute überredet, mit ihnen zum Hotel zu kommen. Ágúst zögerte, ob er alles zurücklassen konnte, den Alkohol, die Möbel, ihre sonstigen Besitztümer, aber besser, die Gesundheit und vielleicht sogar das Leben zu retten, als den Besitz. Der Junge half ihnen, Tische und Stühle wieder aufzurichten, das Glas aufzufegen. Marta war im Übrigen keine große Hilfe, sie klebte geradezu an Ágúst, streichelte ihn, umarmte ihn. Mein Ärmster, sagte sie, mein armer Schatz, mein Held, mein Mann. Sie umklammerte ihn, immer noch nackt obenrum, aber das machte nichts, das war ganz natürlich. Das Leben, Brüste, Tränen, zerbrochene Flaschen, Nacht war Nacht, und viel mehr gab es dazu nicht zu sagen. Gunnar aber hatte sich die Augen ausgeguckt. Er murmelte irgendwas, sah zu, wie sich Martas schwere Brüste gegen Ágúst pressten, und raunte dem Jungen zu: Mein Gott, hat die Alte ein Paar Euter. Ich sollte für meine Hilfe doch eine Gegenleistung erwarten dürfen.
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