Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
betrachtet.
Ich war dabei, als Bjarni das gemalt hat.
Und du sitzt mit in diesem Boot, sagt sie. Da sieht der Junge, dass einer der Fischer genau wie Vigfús aussieht, nur der Bart kaschiert das, aber er hat das gleiche Gesicht, dieselben blauen Augen.
Du bist einer der Apostel, sagt er, und Álfheiður lacht leise.
Vigfús lächelt entschuldigend, ist verlegen. Wenn ich schlafe, sagt er leise zu dem Jungen, dann sitze ich in diesem Boot und sehe, wie der Heiland Petrus aus dem Meer errettet. Seht, bis zu den Knien ist er schon drin und wird noch bis zu den Achselhöhlen eintauchen, doch dann zieht ihn der Erlöser ganz leicht heraus, sie kommen gemeinsam auf uns zu, und während wir den Fisch einholen, lauter wunderbare fette Dorsche, erzählt er uns Geschichten von Güte und Opferdarbringen.
Was für Geschichten?, erkundigt sich Álfheiður. Die altbekannten?
Nein, Geschichten, die ich noch nie von einem Pfarrer gehört habe, aber ich vergesse sie immer, sobald ich die Augen aufschlage.
Kannst du nicht anfangen, sie zu erzählen, bevor du die Augen aufmachst, und wenn es auch nur der Anfang wäre?
Ich wache jeden Tag allein auf, wie du weißt, und ich habe niemanden, dem ich was erzählen könnte. Ich habe dir gesagt, du sollst die Hunde nicht reinlassen. Bist du böse?
Der gähnende Hund hat begonnen, den Hintern der Hündin zu beschnüffeln, erst nur beiläufig, wie gelangweilt, doch ihr Geruch macht ihn heiß, er winselt und versucht sie zu besteigen, schon hechelt er vor Erregung, die Hündin windet sich unter ihm, während sie weiter am Sarg schnuppert.
Das ist eine Kirche, sagt Vigfús, während er dem Schauspiel zusieht, und hier liegt eine tote Frau!
Aber das ist der einzig wirkliche Weg, den Tod zu überwinden, sagt sie und grinst.
Du tust mir bloß leid, meint Vigfús, als er ihr Grinsen sieht. Du lebst wirklich in Finsternis. Der Junge hier setzt sein Leben aufs Spiel, um die Frau hierher zu bringen, und du lässt zu, dass sich die Hunde an ihrem Sarg bespringen. Pfui!, ruft er den Hunden zu, die sofort voneinander ablassen, die Hündin setzt sich, der Rüde dreht sich zweimal um sich selbst, bevor auch er sich niederlässt und halb entschuldigend die drei Menschen ansieht, als wollte er sagen: Aber es macht doch so viel Spaß. Álfheiður setzt sich auf die andere Seite des Jungen.
Du solltest zu mir ziehen, schlägt Vigfús vor.
Der Junge öffnet den Mund, um etwas zu sagen, weiß aber nicht, was. Warum, um alles in der Welt, sollte er bei diesem Mann einziehen?
Du bist verheiratet, sagt Álfheiður.
Dafür kann ich nichts.
Hast du im Schlaf geheiratet?
Sie hat mich in die Falle gelockt, erklärt Vigfús.
Ihr wohnt noch immer zusammen in einem Haus. Soll ich vielleicht zwischen euch liegen?
Wir schlafen nicht mehr miteinander. Das weißt du.
Warum wohnst du noch mit ihr zusammen?
Es ist nicht gut, allein zu leben. Es lauert so vieles in der Dunkelheit.
Schaff dir einen Hund an.
Du begreifst den Herrn nicht, du willst nicht mit Jesus gehen.
Und trotzdem willst du mich.
Du hast diese Augen, sagt Vigfús desperat und starrt auf das Altarbild.
Der Teufel hat grüne Augen, sagt sie.
Ich weiß, antwortet Vigfús, ich kann nichts dagegen machen.
Die Hündin hat sich zusammengeringelt und versucht zu schlafen, der Rüde guckt abwechselnd sie und die Menschen an, steht auf, legt sich wieder, jault leise, aber vernehmlich. Ich armer Kerl, es ist alles so schwierig, scheint er sagen zu wollen und schnuppert erneut am Hinterteil der Hündin, drückt ihr die Schnauze so tief hinein, wie er nur kann.
Vigfús: Das ist nicht gut.
Der Junge, leise: Ihm gefällt’s.
Vigfús: Jesus ist bei uns, er sieht uns, er beurteilt uns. Wir dürfen das nicht zulassen. Bist du zum Beten gekommen, oder um Hunden beim Rammeln zuzusehen?
Der Junge: Zum Beten bin ich nicht gekommen, ich wollte mich nur mit Ásta unterhalten.
Sie ist tot, mein Junge.
Das ist Jesus auch, antwortet der Junge. Es entschlüpft ihm, als säße der Teufel in ihm und spuckte ihm so etwas ins Blut.
Um Himmels willen, sagt Vigfús, Gott bewahre dich, so etwas zu sagen.
Alles wäre anders und besser, wirft Álfheiður dazwischen und sieht zu, wie der Hund die Hündin leckt, wenn Jesus eine Frau gewesen wäre.
Gott sandte uns seinen Sohn, sagt Vigfús mit Entschiedenheit, guckt aber auch zu. Der Junge hingegen blickt verstohlen zu ihr, um sie genauer zu betrachten, den Streifen Sommersprossen, die Lippen, von der die untere
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