Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
Sie trat einen Schritt zurück und ließ sie an sich vorbei ins Wohnzimmer der Wohnung, das blank geputzt und sehr spartanisch eingerichtet war. Nirgends sah man irgendwelche Rüschen oder irgendwelchen Nippes, wie er für ältere Frauen, die alleine lebten, sonst typisch war.
Nirgends lagen Kissen, nirgends standen gerahmte Fotos, Blumen oder andere Staubfänger herum. Außer einem Sofa, einem Stuhl, zwei Tischen und zwei Lampen gab es nichts in diesem Raum. Er war vollkommen seelenlos und ungefähr so einladend wie eine Einzelzelle in einem Hochsicherheitsgefängnis, dachte Eve.
Hier hörte man ganz sicher nie die süße Stimme von Carmichael Smith. Was zumindest eine kleine Gnade war.
»Sie dürfen sich auf das Sofa setzen. Erfrischungen biete ich Ihnen so kurz vor dem Essen nicht mehr an.«
Sie selbst setzte sich kerzengerade auf den Stuhl, stellte die Füße flach auf den Boden, presste die Knie derart eng zusammen, als wären sie aneinander festgeklebt, und faltete die Hände ordentlich im Schoß.
»Sie haben angedeutet, dass Sie mit mir über einen meiner ehemaligen Schützlinge zu sprechen wünschen, mir aber keinen Namen genannt. Das finde ich sehr unhöflich, Miss Dallas.«
»Ich finde es sehr unhöflich, andere Menschen zu ermorden, und in einem solchen Mordfall ermittle ich.«
»Es besteht keine Veranlassung, mir gegenüber frech zu werden. Falls Sie mir nicht mit Respekt begegnen können, ist dieses Gespräch beendet.«
»Respekt ist etwas Gegenseitiges. Ich heiße Lieutenant Dallas und nicht Miss.«
Gable presste die Lippen aufeinander, nickte aber mit dem Kopf. »Also gut. Lieutenant Dallas. Ich nehme an, Sie haben diesen Rang, weil Sie eine gewisse Eignung für diese Art der Arbeit haben und weil Sie nicht völlig unvernünftig sind. Falls Sie mir kurz erklären würden, weshalb Sie mit mir sprechen wollen, können wir diese Angelegenheit zum Abschluss bringen, und Sie können wieder gehen.«
»Meine Fragen sind sehr vertraulich. Ich bitte Sie deshalb um Diskretion.«
»Ich habe den Großteil meines Lebens in den Privathäusern bedeutender Familien zugebracht. Ich bin ganz bestimmt diskret.«
»Eine dieser Familien hatte einen Sohn. Niles Renquist.«
Gables Brauen schossen in die Höhe, was das erste echte Lebenszeichen von ihr war. »Falls Sie den ganzen Weg von New York hierhergekommen sind, um mich nach den Renquists zu fragen, vergeuden Sie Ihre und vor allem meine Zeit. Und meine Zeit ist kostbar.«
»Kostbar genug, nehme ich an, dass Sie nicht extra nach New York verfrachtet und dort offiziell vernommen werden wollen.« Diese Drohung war natürlich nichts als heiße Luft. Kein Richter würde ihr jemals erlauben, eine Zivilperson über eine Staatsgrenze zu zerren, ohne dass es auch nur den Hauch eines Beweises für deren Verwicklung in ein Verbrechen gab. Häufig aber löste bereits der Gedanke an das Ungemach eine gewisse Kooperationsbereitschaft bei den Menschen aus.
»Ich glaube nicht, dass Sie mich wie eine gewöhnliche Kriminelle einfach nach New York mitnehmen können.«
Vor lauter Zorn stieg Gable beinahe ein wenig Farbe ins Gesicht. »Ohne jeden Zweifel wüsste mein Anwalt ein derart anmaßendes Vorgehen zu verhindern.«
»Vielleicht. Los, investierten Sie die Mühe, Zeit und Kosten und rufen Sie ihn an. Wir werden ja sehen, wer am Ende siegt.«
»Ihre Einstellung und Ihr Verhalten lassen sehr zu wünschen übrig.«
Als Gable wütend ihre Fäuste auf den Oberschenkeln ballte, traten ihre Knöchel weiß hervor. Oh ja, sie hatte ihre Schützlinge gekniffen. Davon war Eve inzwischen überzeugt.
»Meinetwegen. Aber wissen Sie, Morde machen mich nun einmal reizbar. Sie können also hier und jetzt in Ihrem eigenen Zuhause mit mir reden, Ms Gable, oder wir bringen den bürokratischen Ball ins Rollen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
Gable konnte wirklich prima starren - eiskalt und völlig reglos. Aber damit hatte sie gegen eine Polizistin, die elf Dienstjahre auf dem Buckel hatte, keine Chance. »Also gut. Sie können Ihre Fragen stellen. Ich werde Ihnen dann eine Antwort geben, wenn es mir angemessen erscheint.«
»Hat Niles Renquist in der Zeit, in der Sie ihn in Ihrer Obhut hatten, jemals eine Neigung zu Gewalt oder einen gewissen Zerstörungsdrang gezeigt?«
»Ganz sicher nicht.« Alleine den Gedanken wies sie mit einem Schnauben von sich. »Er war ein wohlerzogener junger Mann aus einer angesehenen Familie. Das bezeugen ja wohl auch seine momentane Position und
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