Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
ärmlichen Verhältnissen, wird als Kind vielleicht sogar missbraucht oder misshandelt«, er klopfte mit seinen Zeigefingern gegeneinander, »und wird trotzdem ein produktives Mitglied der Gesellschaft. Bankdirektor, liebevoller Ehemann, treu
sorgender Vater, zuverlässiger Freund. Spielt an den Wochenenden Golf und führt jeden Abend seinen Schnauzer aus. Er nutzt seinen Hintergrund als Sprungbrett in ein besseres, wertvolleres Leben, richtig?«
»Während ein anderer diesen Hintergrund als Entschuldigung dafür benutzt, um noch tiefer zu sinken. Ja, kapiert. Aber warum schreiben Sie nur über die, die ganz unten gelandet sind?«
Er lehnte sich wieder zurück. »Tja, ich könnte Ihnen alles Mögliche davon erzählen, dass das Studium des Killers und des Sumpfs, in dem er watet, der Gesellschaft einen Einblick in das Wie und das Warum gewährt. Informationen, ein grundlegendes Verständnis, sind ein gutes Mittel gegen Angst. Und das würde sogar stimmen.« Er verzog den Mund zu seinem schnellen, jungenhaften Lächeln. »Aber auf einer gänzlich anderen Ebene macht es mir schlicht und einfach Spaß. Ich habe mich bereits als Kind mit diesem Stoff befasst. Jack the Ripper hat mich damals am meisten fasziniert. Ich habe alles über ihn gelesen, sämtliche Filme über ihn gesehen, im Internet gesurft, mir Geschichten ausgedacht, in denen ich ein Polizist war und ihm auf die Schliche kam. Irgendwann dann habe ich das Thema ausgeweitet, mich mit Profiling und Tätertypisierung sowie den einzelnen Schritten befasst. Sie wissen schon, der Auswahl eines Opfers, der Jagd, dem Kick während der eigentlichen Tatbegehung und dem anschließenden vorübergehenden Nachlassen des Triebs.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe eine Phase durchgemacht, in der ich dachte, ich ginge selbst einmal zur Polizei, um auf die Jagd nach den bösen Buben zu
gehen. Aber dieser Wunsch hat sich nach kurzer Zeit wieder gelegt. Dann wollte ich Psychologe werden, aber das hat einfach nicht zu mir gepasst. Im Grunde wollte ich die ganze Zeit nur darüber schreiben, und das konnte ich gut. Also habe ich das Thema, für das ich mich seit meiner Kindheit interessiere, zum Gegenstand meiner Bücher gemacht.«
»Ich habe gehört, dass es Schriftsteller gibt, die eine Sache selbst erleben müssen, bevor sie sie in Worte fassen können.«
Er bedachte sie mit einem amüsierten Blick. »Sie wollen also von mir wissen, ob ich im Rahmen meiner Nachforschungen losgezogen bin, um ein paar Prostituierte zu ermorden?« Er fing schallend an zu lachen, brach dann aber plötzlich wieder ab, als Eve ihn einfach weiter völlig reglos ansah.
Er musste hörbar schlucken und sah sie blinzelnd an. »Heiliges Kanonenrohr, Sie meinen es tatsächlich ernst. Stehe ich etwa unter Mordverdacht?« Sein gesunder Teint verblasste und Schweißtropfen traten auf seine kreideweiße Stirn. »Wirklich?«
»Ich würde gerne wissen, wo Sie am zweiten September zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens waren.«
»Wahrscheinlich war ich hier zu Hause. Ich …« Er massierte sich die Schläfen. »Mann, ich bin vollkommen durcheinander. Ich dachte, ich sollte Sie in irgendeinem Fall beraten. Den Gedanken fand ich toll. Ah … ich war hier. Jule - Julietta, meine Frau - hatte noch einen späten Termin und kam erst gegen zehn zurück. Sie war total erledigt und ging sofort ins Bett. Ich habe noch etwas geschrieben. Seit wir den Jungen haben, ist
es hier im Haus nur nachts noch wirklich still. Ich habe bis gegen eins gearbeitet, vielleicht ein bisschen länger. Ich kann gerne nachsehen, welche Zeit in dem Computer abgespeichert ist.«
Er zog ein paar Schubladen in seinem Schreibtisch auf und wühlte hektisch darin herum. »Ich, äh, Himmel, ich habe wie an jedem Abend vor dem Schlafengehen noch eine Runde durch das Haus gedreht, um zu überprüfen, ob alle Türen abgeschlossen sind, und habe noch einmal nach Jed geguckt. Das war alles.«
»Und was war gestern Morgen?«
»Da gestern Sonntag war, ist meine Frau mit dem Jungen aufgestanden.«
Er machte eine Pause und Eve konnte erkennen, dass der anfängliche Schock verebbte und an seine Stelle eine gewisse Interessiertheit, Freude, ja vielleicht sogar Stolz auf seine neue Rolle als Tatverdächtiger in einem Mordfall trat.
»Meistens schlafe ich sonntags aus und sie kümmert sich um Jed. Sie hat nicht so viel Zeit für ihn wie ich, also hat sie einen Ausflug mit ihm gemacht. Wenn das Wetter schön ist, ziehen sie immer zeitig los und
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