Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
streckte sich wieder in seinem Sessel aus. Sein Bruder ließ ein unterdrücktes Glucksen hören, so als sei er an die Wortgefechte der beiden gewöhnt und darüber amüsiert. Michaela hob verwundert die Augenbrauen.
Verärgert kam Silvia auf die Füße, und während aller Augen auf sie gerichtet waren, vollführte sie eine tiefe Verbeugung, die offensichtlich beide Brüder überraschte. Schließlich konnten sie nicht wissen, dass sie Anfang des 17. Jahrhunderts Kammerdiener im französischen Königshaus der Bourbonen gewesen war und daher, wenn nötig, vollendete Umgangsformen vorweisen konnte. Sie kam auf Michaela zu, küsste ihr die Hand und begrüßte sie in geschliffenem Italienisch. » Incantato, signorina. Il mio nome è Rico .«
»Wer, zur Hölle, ist er?«, fragte Sevin und warf Bastian nachdenklich einen Blick zu.
»Ein vornehmer Wichtel, offenbar«, schlug Bastian vage vor, doch es war deutlich, dass ihn das Geheimnis, das Silvia alias Rico umgab, faszinierte.
Michaela berührte mit den Fingern leicht Silvias Wange. »Ich denke, deine Manieren sind recht liebenswert, Rico. So wie du.«
»Man fragt sich, wo du sie gelernt hast«, fügte Bastian hinzu.
Silvia warf ihm einen spitzbübischen Blick zu. »Von denen, die über mir stehen.«
Sal kam heran, um Michaela zu begrüßen. Sie bückte sich, um ihn zu streicheln, und flüsterte dabei Silvia zu: »Glaube nur nicht, dass diese Verkleidung meine Pläne für dich vereiteln wird.«
Silvia grinste, als ihr klarwurde, dass sie erkannt worden war.
»Das dachte ich mir«, wisperte Michaela. »Und wer ist das?«
»Ricos Hund. Und ich hoffe, deinen Liebsten dazu zu bringen, dass er ihn adoptiert.« Etwas lauter fuhr sie fort: »Jawohl, Signorina, Salvatore ist wirklich ein hervorragender Hund, wie Sie schon bemerkt haben. Tatsächlich bittet Signor Satyr mich jeden Tag darum, dass ich mich von ihm trennen möge, denn er empfindet große Bewunderung für ihn und möchte ihn für sich selbst haben.«
Bastian sah von seiner Unterhaltung mit Sevin auf. »Was erzählt er da für Lügengeschichten?«
Michaela lachte unbeschwert und zog damit die Aufmerksamkeit jedes Arbeiters auf sich, der sich gerade außerhalb des Zeltes in Hörweite aufhielt. »Keine. Ich finde ihn recht liebenswert. Tatsächlich wäre es nett, wenn du ihn entbehren könntest; ich habe vor, auf den Markt zu gehen, und er könnte mir beim Tragen helfen.«
»Wäre wohl keine schlechte Idee, einen rauflustigen, gerissenen Jungen an deiner Seite zu haben, der als dein Beschützer auftritt.« Bastians sinnliche Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln, als er fortfuhr: »Und ich kann ihn definitiv entbehren.« Damit entließ er sie und beugte sich über das Mosaik, um Silvias letzte Arbeit zu begutachten.
»Nicht anfassen, solange ich weg bin«, befahl Silvia besorgt. »Versprich es.«
Bastian hob beide Hände in gespielter Unschuld. »Dein Mosaik ist sicher vor mir. Geh.« Damit winkte er sie hinaus.
Sal trottete hinter Silvia und Michaela her, als sie zusammen hinausgingen. Sobald sie das Zelt verlassen hatten und außer Hörweite waren, schaute Michaela über die Schulter zurück zu Bastian, der gerade mit Sevin aus dem Zelt kam, um eine der Grabungsstellen zu inspizieren. Silvia beobachtete sie und runzelte die Stirn angesichts des hungrigen Blicks, mit dem Michaela ihm nachsah. Sie gestattete sich nur dann, ihn mit derart verzweifelter Sehnsucht anzusehen, wenn er es nicht bemerkte.
»Ist alles in Ordnung zwischen dir und Herrn Satyr?«
Violette Augen sahen sie blinzelnd an. » Scusi? « Michaela ließ ihren Sonnenschirm aufschnappen; sie wirkte verlegen und war begierig darauf, das Thema zu wechseln. »Natürlich. Wie laufen die Ausgrabungen? Ihr seht beide nicht übermäßig begierig aus, den Tempel zu erreichen.«
Silvia hob die Augenbrauen. »Seine Männer machen die Grabungsarbeit. Er organisiert nur.«
»Natürlich«, antwortete Michaela, aber Silvia hatte das sonderbare Gefühl, dass sie nicht wirklich verstand, was vorging.
»Und das ist auch gut«, fuhr Silvia fort, in dem Versuch, die Spannung, die plötzlich zwischen ihnen aufgekommen war, abzubauen. »Denn du hattest recht, was deinen Geliebten angeht. Er ist langsam. Es ist schon etwas über eine Woche her, seit ich ihm die Lage des Tempels gezeigt habe, und bisher haben seine Männer nur ein Drittel des Weges dorthin freigelegt. Und das, obwohl ich ständig in die entsprechende Richtung hin zeige und
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