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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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diesmal etwas pikiert. Das Timbre dieser jugendlichen Stimme hatte etwas Vertrautes. Michaela konnte den Anflug eines uralten Akzents erkennen. Wenn sie sich nicht sehr täuschte, würde sich der Besitzer dieser Stimme als ihre eigentlich weibliche, beste Freundin herausstellen.
    Es war ein ungewöhnlich warmer Wintertag, und die Zeltklappe war an einer Wand hochgebunden. Sie spähte hinein und war augenblicklich überzeugt davon, dass ihre Vermutung stimmte. Bestimmte Verhaltensweisen – eine Drehung des Kopfes, ein Schulterzucken – gaben ihr deutliche Hinweise auf Silvias Verkleidung. Sie war glücklich, dass die zwei Wesen, die ihr in beiden Welten die liebsten waren, sich endlich begegnet waren. Und noch vielversprechender war die Tatsache, dass sie offenbar glänzend miteinander auskamen. Aber, verflixt, natürlich musste Silvia ihre Pläne durchkreuzen, indem sie einen zerlumpten kleinen Jungen als Wirt nahm.
    Die beiden saßen auf Stühlen vor Bastians Schreibtisch und hatten die Köpfe zusammengesteckt, während sie über irgendeinem archäologischen Puzzle brüteten. Anscheinend handelte es sich um den beschädigten Teil eines Mosaiks, in dem zahlreiche Stücke fehlten. Es lag auf einer flachen Tafel auf dem Schreibtisch, und die beiden waren dabei, lose Teile wieder zusammenzufügen und die Position eines jeden Stücks sorgfältig zu dokumentieren.
    »Nein, wie oft muss ich dir das denn noch sagen? Blau gehört hierhin.« Der kleine Junge, der Silvia war, verdrehte die Augen und nahm ein kleines blaues Glasteilchen auf, das Bastian fälschlicherweise zu den grünen gelegt hatte.
    »Mein Fehler«, meinte Bastian und griff über den Tisch nach einem Notizbuch neben Silvia. »Warum setzt du nicht die Teile zusammen, und ich mache die Notizen? Meine alten Augen sind nicht so scharf wie deine jungen.«
    Michaela hob verwundert die Augenbrauen, denn diesen nachgiebigen Tonfall hatte sie noch nie von ihm gehört. War es möglich, dass ihre Pläne für sie drei nun Früchte tragen würden, wenn Silvia erst wieder ihre wahre Form angenommen hatte?
    Silvia lachte laut los, in diesem Moment ganz der kleine Junge. »Gute Idee. Höllen, wie alt bist du eigentlich?« Sie streckte die Hand an ihm vorbei aus und korrigierte die Lage der Teile, die er falsch plaziert hatte.
    Die Andeutung eines Lächelns spielte um Bastians Mundwinkel. »Alt genug.«
    »Aber blind, so viel ist sicher. Blau gehört zu Blau, Rot gehört zu Rot und Grün zu Grün. Man muss sich fragen, wie du mit deiner Arbeit zurechtgekommen bist, bevor ich da war. Wo hast du eigentlich deine Archilogie, oder wie du das nennst, gelernt?«
    »Es heißt Archäologie, wie du sehr gut weißt. Und ich habe sie von meinem Vater gelernt.« Bastians Stimme war abrupt ausdruckslos geworden, so wie immer, wenn man ihn an seine Eltern erinnerte.
    »Was ist mit ihm passiert?«
    Bastian antwortete nicht.
    Dafür erklang hinter Michaela plötzlich eine neue Stimme, und sie drehte sich um und sah Sevin. »Er starb vor elf Jahren, kurz nachdem wir in diese Welt gekommen waren«, erklärte er. »Bastian und unser Vater begannen hier mit den Ausgrabungen, und seit dem Tod unseres Vaters hat Bastian die Arbeit fortgeführt.« Er nickte Michaela zu, schenkte ihr das unbeschwerte Lächeln, das seine Grübchen zeigte und die meisten der weiblichen Angestellten im Salone di Passione ins Schwärmen brachte, und fügte hinzu: »Guten Tag, cara . Du siehst wunderschön aus.«
    Michaela antwortete mit einem reizenden Lächeln, und Bastian und Silvia erhoben sich, als sie das Zelt betrat. Die arme Silvia sah ganz schuldbewusst aus, und Michaela brauchte einen Augenblick, bis ihr der Grund dafür klarwurde. Natürlich, sie fühlte sich hingezogen zu Bastian! Und zwar mehr, wie Michaela sich erinnern konnte, als das in den vergangenen Jahrhunderten je bei einem Mann der Fall gewesen wäre. Doch andererseits: Welche Frau würde sich nicht zu ihm hingezogen fühlen? Selbst wenn sie als Junge verkleidet war, dachte Michaela, während sie Bastians kräftige Gestalt musterte.
    Als sie die beiden ansah, registrierte sie bestürzt, dass sie wohl nicht so willkommen war, wie sie angenommen hatte. Eine Vestalische Begleiterin konnte jederzeit die geringsten Anzeichen von Missfallen an einem Mann wahrnehmen, und Michaela bemerkte die Gereiztheit in Bastians Blick. Sie war heute nur deshalb hergekommen, weil er während der letzten Woche ihr gegenüber mehrmals diesen Jungen erwähnt hatte und

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