Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Er war eine unwichtige Person in der Geschichte gewesen, aber eine Person, die sie als Mädchen getroffen hatte. Und Bastian lag mit dem Datum daneben: Das Fresko war im Jahre 381 nach Christus gefertigt worden.
Allerdings schien er mit ihrem Talent zufrieden zu sein, und bis zum Ende des Tages hatte sie Dutzende Karten für ihn angefertigt. Einige der Artefakte waren kaum der Mühe wert erschienen, erfasst zu werden, aber er war extrem akribisch in seiner Arbeit, was gelegentlich zu freundschaftlichen Streitgesprächen zwischen ihnen führte.
Als sie die Karten und die entsprechenden Fundstücke am Ende des Tages in seinem Zelt deponierte, huschte ein Lächeln über ihre Lippen. Der Stapel mit den erotischen Illustrationen, den sie am Morgen ins Regal gelegt hatte, war geordnet worden, so dass alle Blätter exakt Ecke auf Ecke lagen. »Der Mann ist eindeutig ein Pedant«, murmelte sie vor sich hin. Eine der Karten in ihrer Hand fiel zu Boden, und sie bückte sich, um sie aufzuheben.
»Was machst du hier drin, Junge?«
Sie drehte sich um und sah Ilari im Eingang stehen. Seine Miene war misstrauisch, aber wahrscheinlich nicht mehr als ihre eigene. »Dasselbe könnte ich Sie fragen. Aus dem Zelt wurde schon ein Mal etwas gestohlen.«
Der Mann sah aus, als würde ihn gleich der Schlag treffen, dann machte er einen Satz auf sie zu. »Du wagst es …?«
»Was, zur Hölle, ist hier los?«, wollte Bastian wissen, der in diesem Moment das Zelt betrat und sie beide wie kurz vor einem Duell vorfand.
»Nichts«, antwortete Silvia leichthin und legte das Buch nieder, das sie eben noch nach Ilari schleudern wollte. »Ilari und ich waren nur eben dabei, uns eine gute Nacht zu wünschen. Dabei habe ich zufällig erwähnt, dass vor kurzem eine Tonscherbe aus diesem Zelt gestohlen wurde, und er schien mir meine Bemerkung übelzunehmen. Sehr merkwürdig.« Damit verließ sie das Zelt und überließ es den beiden Männern, daraus schlau zu werden.
In jener Nacht legte sie sich im Windschatten des Triumphbogens zur Ruhe, unter die Decke, die in der Nacht zuvor so geheimnisvoll den Weg zu ihr gefunden hatte. Sie streckte die Hand aus und streichelte Sal. »Langsam denke ich, Michaela hat eine gute Wahl für sich getroffen. Bei dem Wissen, dass ihr Satyr einer von den Guten ist, fällt mir ein Stein vom Herzen.«
Der Hund leckte ihr über die Hand und drehte sich dann um seine eigene Achse, um sich einen guten Schlafplatz zu schaffen. Dann rollte er sich neben ihr zusammen, so dass sein Rücken sie wärmte. Sie zog die Decke über sie beide und kuschelte sich zum Schlafen hinein.
Als sie das Licht im Zelt erlöschen sah, hob sie den Kopf, um zu sehen, wie Bastian herauskam. Er schaute in ihre Richtung, und sie duckte sich. Als sie wieder hinüberspähte, war er gerade auf dem Weg zum Esquilin hinauf, am anderen Ende des Tals, in dem das Forum lag.
Er würde die Nacht mit Michaela in seinem Bett verbringen. Würde seinen Schwanz in ihren Schoß schieben, wie sie es ihn in jener ersten Nacht hatte tun sehen. Ein stürmisches Gefühl wallte in ihr auf, und sie suchte nach dem richtigen Namen dafür. Sehnsucht, entschied sie nach einem Moment. Die Sehnsucht, zu jemandem zu gehören, so wie Michaela zu ihm gehörte und er zu ihr.
Neben ihr jaulte Sal, und sie fragte sich, ob er auch das Begehren verspürte, bei ihr zu bleiben. Sie drückte sich wieder an ihn und tätschelte ihn beruhigend. Haustiere waren ein Problem, wenn man seinen Wirt regelmäßig wechseln musste. Einmal in London hatte ein Sittich zu ihr gehört, und sie machte sich noch immer Sorgen um ihn, obwohl er inzwischen ganz sicher längst tot war. Sie hoffte aufrichtig, dass er seine natürliche Lebensspanne nach ihr weitergelebt hatte bis zum Ende, so wie sie ihre unnatürlich lange Lebensspanne über die Jahrhunderte gelebt hatte.
»Gewöhne dich nicht daran«, warnte sie Sal gähnend. »Ich kann dich nicht behalten. Dafür bin ich zu sehr ein Herumtreiber. Aber ich habe Rico versprochen, ein gutes Zuhause für dich zu finden, und ich schwöre dir, das werde ich. Tatsächlich bin ich mir sicher, dass Herr Bastian Satyr perfekt zu dir passen könnte, denn er wird hier in Rom bleiben.«
7
Eine Woche später
M ichaela hielt direkt vor dem großen weißen Zelt auf dem Forum inne, als sie das Lachen eines Jungen darin hörte, dem ein tiefes männliches Lachen folgte. Bastian. Auf den Ausdruck seiner Belustigung hin war wieder die Stimme des Jungen zu hören,
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