Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Michaelas Liebsten. Ich träume davon, mit ihm zu schlafen.« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. » Allein mit ihm zu schlafen.«
Kurze Zeit später seufzte sie tief auf und streichelte über Sals Rücken. »Vergiss, dass ich es erwähnt habe, ja?« Sie kam auf die Füße, streckte sich und ging zurück zum Esquilin.
»Gehen wir, Junge«, sagte sie zu Sal. »Morgen wird ein großer Tag. Ein Tag, an dem Herr Satyr die Entdeckung seines Lebens machen wird.«
9
A ls Silvia am nächsten Morgen an der Ausgrabungsstätte ankam, hatte Bastian die Statue bereits gefunden. Oder zumindest den Scheitel ihres Kopfes. Eine Menschenmenge war um ihn herum versammelt, und Silvia musste sich durchboxen, um zu ihm zu kommen.
»Was gibt es?«, fragte sie, als habe sie nicht letzte Nacht mehrere Stunden damit verbracht, danach zu graben. Als habe sie den Ort nicht so für ihn hinterlassen, dass er nur ein paar Zentimeter graben musste, um die ersten Anzeichen weißen Marmors freizulegen.
»Eine Statue«, sagte Bastian, und sie hörte die Aufregung in seiner Stimme.
»Von?« Sie spähte um ihn herum, und ihre eigene Aufregung wuchs.
»Einer der Vestalinnen, höchstwahrscheinlich. Das Abbild einer jeden wurde in Stein gemeißelt. Ihre Statuen umgaben das Atrium des Hauses, in dem sie wohnten«, erklärte er ihr unnötigerweise.
Ja, sie wusste das alles. Sechs auf jeder Seite des Atriums. Begleiterinnen an der Nordseite, Jungfrauen an der Südseite. Letzte Nacht hatte sie an der Stelle gegraben, an der sich nach ihren Berechnungen die dreizehnte und wichtigste Statue von allen befinden sollte, die das Haus geziert hatte. Hatte sie die richtige Stelle getroffen?
Das, was derzeit in der Mulde, die sie gegraben hatte, sichtbar war, sah aus wie eine umgestürzte weiße Schale – ein kleiner Hügel ungefähr von der Größe eines Kopfes. Bastian wischte gerade vorsichtig lose Erde weg und enthüllte mehr davon. Unter seinen Fingern schimmerte weißer Marmor. Als Silvia sah, wie seine starke Hand fachkundig über den gemeißelten Marmor der Statue glitt, an der sie einst in ihrer Jugend jeden Tag vorbeigegangen war, rührte sich etwas in ihr. Sie fiel neben ihm auf die Knie, und er zog seine Hand zurück, so dass sie ihre warme Handfläche auf die von der Erde kühle Krone der Statue legen konnte.
»Ihr Haar«, hauchte sie, als sie die Rillen unter ihrer Hand fühlte. »Es liegt in Wellen. Das ist keine der Vestalinnen. Es ist die Göttin selbst, nicht wahr?« Nun war sie überzeugt davon, dass dies die Statue der Vesta war. Die Statue, vor der sie in ihrer Kindheit niedergekniet war, um ihr zu huldigen, jeden Morgen und jede Nacht, vor Jahrhunderten.
Dann sah sie zu ihm auf, Freudentränen in den Augen. Ohne nachzudenken, streckte sie ihm die Arme entgegen. Seine Hände schoben sich unter ihre Achseln, und er hob sie hoch und schwang sie im Kreis herum, und für einen Augenblick vergaßen sie die anderen Leute. Es war, als seien sie allein auf dem Forum, und ihr Lachen war ein wundervolles Band zwischen ihnen, als sie sich beide an diesem großartigen Augenblick der Entdeckung erfreuten.
Dann berührte sie wieder den Boden. Ein Fuß, dann der andere. Er ließ sie los, kniete sich wieder hin und begann, mit einer Bürste sanft die Erde zu entfernen. Ohne wirklich zu begreifen, was sie da tat, streckte Silvia die Hand aus, um ihm übers Haar zu streichen. Doch bevor ihre Hand sich auf seinen Kopf legte, fing er an, seinen Arbeitern Befehle zuzurufen. Rasch zog sie die Hand zurück und tat so, als wollte sie nur ein Werkzeug nehmen, das neben ihm lag.
»Wir gehen langsam vor«, murmelte Bastian. Sein ganzes Denken war auf die bevorstehende Aufgabe konzentriert. »Und mit größter Vorsicht.«
Silvia lächelte durch die aufsteigenden Tränen und verdrehte gleichzeitig die Augen. »Natürlich tun wir das.«
Wenn sie rund um die Uhr arbeiteten, würde es wahrscheinlich zwei Wochen oder länger dauern, die Statue freizulegen. Sie würde aus der Ferne zusehen, aber sie wusste, dass sie nicht an seiner Seite arbeiten konnte, während er langsam die Statue freilegte. Tatsächlich würde er sie nie wiedersehen. Sie würde unbemerkt das stehlen, was ihr gehörte, sobald er seine Ausgrabung beendet hatte.
Denn heute Nacht war Vollmond.
Die Nacht, in der Rico sterben musste.
Die Nacht, in der Silvia Pontifex wieder einen Besuch abstatten musste.
Die Nacht, in der Michaela wieder mit Bastian schlafen würde.
Bastian, den sie beide
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